Buwog-Prozess: Entscheidende Stunden beim Notar

Ein Mann in Anzug und eine Frau mit Kaffee betreten einen Raum.
Die Richterin setzte ihre Befragung von Heinrich Traumüller, ehemals Sektionschef im Finanzministerium, fort.

Nach einem Tag Unterbrechung setzte Richterin Marion Hohenecker im Buwog-Prozess am Donnerstag die Befragung des Zeugen Heinrich Traumüller fort. Traumüller war ehemals Projektleiter der Bundeswohnungs-Privatisierung. Schon am ersten Tag seiner Befragung hatte der ehemalige Sektionschef im Finanzministerium aufhorchen lassen, als er sagte, die wichtige Entscheidung für eine zweite Bieterrunde beim Verkauf der Bundeswohnungen, habe der damalige Finanzminister Karl-Heinz  Grasser auf Berater-Empfehlung getroffen. Grasser hatte das bei seinen Einvernahmen bisher abgestritten. 

Der Zeuge sagte zunächst, dass jene Sitzung am 7. Juni 2004, in der die Entscheidung für eine zweite Bieterrunde fiel, eigentlich keine Kommissionssitzung war. Vielmehr habe es sich um eine Präsentation der Anbote durch die Berater von Lehman Brothers gehandelt. Gestern hatte der Zeuge Michael Ramprecht aus dem Kabinett von Grasser hingegen ausgesagt, dass es sehr genau formale Vorgaben für die Kommissionssitzungen gab.

Per Fahrradbote zum Notar

Bei seiner Vernehmung heute schilderte Traumüller, wie die Angebote für die Bundeswohnungen am 4. Juni 2004, an einem Freitag, bei einem Notar in Wien einlangten - nämlich per Fahrradboten kurz vor Ende der Anbotsfrist um 15 Uhr. Ein Anbot sei erst um 14 Minuten verspätet eingelangt. Dabei ging es um einen Verkauf, mit dem die Republik rund eine Milliarde Euro lukrieren wollte. Traumüller war als Vertreter des Ministeriums bei der Anbotsöffnung im Büro des Notars.

Detail am Rande: Das Österreich-Konsortium (Immofinanz, RLB OÖ u.a.) hatte in seinem Angebot für die Bundeswohnungen, wo die Kärntner Eisenbahnerwohnungen ( ESG) inkludiert waren, mehr geboten, wenn die ESG nicht dabei gewesen wäre. Außerdem hatte das Konsortium eine Klausel angeboten, wonach beim Verkauf von mehr als 120 Wohnungen jährlich der Gewinn auf zehn Jahre mit der Republik geteilt würde. Für die Richterin keine echte Besserung des Angebots, weil nämlich der Käufer dies vollkommen selbst in der Hand habe, wie viel Wohnungen pro Jahr er verkaufe.

Der Notar habe die Anbotspreise der Bieter für die Bundeswohnungen mit und ohne ESG, sowie für die Darlehen dargestellt. Eine Reihung der Bieter habe der Notar nicht vorgenommen, obwohl er, Traumüller, damit gerechnet hatte, sagte der Zeuge.

Alles schon so lange her

Zwar gut gelaunt, aber mit teils wenig Erinnerung hatte der ehemalige FPÖ-Wohnbausprecher Detlev Neudeck dann am Nachmittag seinen Zeugenauftritt. Er verwies darauf, dass die angeklagte Causa Buwog rund 15 Jahre her ist und er "keine wesentliche Aufgabe in der Sache" hatte. Zum Teil widersprach er dem vorigen Zeugen Traumüller.

Neudeck betrat vor seiner Zeugenaussage bereits den Großen Schwurgerichtssaal, woraufhin Grasser und schließlich auch der Zweitangeklagte Walter Meischberger auf ihn zukamen und plauderten - bis die Protokollführerin den ordnungsgemäßen Zustand wieder herstellte und ihn bis zu seiner Zeugenaussage vor die Tür bat. Wie Neudeck später dem Staatsanwalt Gerald Denk erklärte, hätten sich die Angeklagten nur erkundigt, wie es ihm gehe.

Konfrontiert mit den Aussagen von Traumüller vom Vormittag, dass Neudeck bei einer wichtigen Sitzung am 7. Juni 2004 im Gelben Salon anwesend war, sagte Neudeck, er könne sich nur an eine Sitzung am 13. Juni, dem Tag der EU-Wahl, in einer Anwaltskanzlei erinnern. Bei der Sitzung am 13. Juni sei er zu spät gekommen - "heute war ich pünktlich, bei Ihnen trau i mir das net", meinte Neudeck zur etwas verdutzten Richterin. Mit der Causa Buwog-Verkauf habe er sich kaum befasst, lediglich bei Angriffen durch die Opposition im Nationalrat habe er das Wort zur Verteidigung des Vorgehens der damaligen ÖVP/FPÖ-Regierung ergriffen.

Kaspar Fink (ORF) berichtet vom BUWOG-Prozess

Buwog-Prozess: Tag 82 zum Nachlesen

  • |Elisabeth Hofer

    Guten Morgen...

    ...aus dem Großen Schwurgerichtssaal am Wiener Straflandesgericht. Hier trudeln gerade nach und nach die Anwälte ein. Alle Anwesenden sehen etwas müde aus, immerhin wurde gestern bis nach 18.30 Uhr verhandelt. Und wie Grasser-Verteidiger Wess gestern betonte: "Ich versuche eh, mit wenig Schlaf auszukommen, aber ich muss mich ja auch vorbereiten."  

    Um 9.30 geht es los. Ich hoffe, Sie sind ausgeschlafen und ich freue mich, dass Sie dabei sind.

  • |Elisabeth Hofer

    Es geht los

    Die Richterin eröffnet den Verhandlungstag und ruft den Zeugen auf. Meischbergers Anwalt Jörg Zarbl möchte vorher noch einen Antrag stellen (er möchte eine Aktenabschrift). Die Richterin wirkt verärgert. "Die Dringlichkeit? Der Zeuge wartet."

  • |Elisabeth Hofer

    Das dauert

    Zarbl zählt noch immer Positionen aus dem Standblatt auf, von dem er gerne eine Aktenkopie hätte. Das dauert und dauert. 

  • |Elisabeth Hofer

    Traumüller erscheint

    So. Zarbl ist fertig, die Richterin ruft abermals Traumüller in den Zeugenstand, der nimmt sodann Platz und wird nochmals über seine Wahrheitspflicht belehrt.

  • |Elisabeth Hofer

    Doch kein Zaubersatz?

    Die Richterin bezieht sich auf die Befragung Ramprechts von gestern. Laut ihm habe es im Kabinett den Zaubersatz "Der Minister will..." gegeben, der jede weitere Diskussion hinfällig gemacht habe. "Das ist eine Übertreibung", sagt Traumüller. Er könne mit diesem Satz nichts anfangen. 

  • |Elisabeth Hofer

    Wer hat getagt?

    Am 7.6.2004 hat eine Kommission getagt. Die Richterin möchte nun wissen, warum, wer dabei war, und wer eingeladen hat. Traumüller weiß es nicht so genau, er sei aber dort gewesen auf Einladung des Ministers. 

    "Ich frage Sie, welche Kommission hat da getagt?", sagt die Richterin. Eine Art Sitzung mit Experten, die vom Minister einberufen wurde, sagt Traumüller. Er wirkt extrem verärgert und ungeduldig. 

  • |Elisabeth Hofer

    Sepzialvollmacht

    Wir wechseln zur Spezialvollmacht für Traumüller, Kärnten die ESG Villach anzubieten und einen Notariatsakt nach Kärnten zu übermitteln, und das Angebot zu unterbreiten. Traumüller will darüber nichts wissen. Er hat keine konkrete Erinnerung daran, dass man ihm diese Vollmacht erteilte. 

  • |Elisabeth Hofer

    Hinter verschlossenen Türen

    Traumüller schildert nun den Tag der ersten Angebotsöffnung im Juni 2004. Traumüller und Vertreter von Lehman und Freshfields mussten im Vorraum des Notars warten, während Boten die Angeboten versiegelt abgaben. Der Notar und seine Assistentinnen haben dann hinter verschlossenen Türen die Kuverts geöffnet. 

  • |Elisabeth Hofer

    Zusatzangebot

    Dann kam der Notar heraus und verkündete, was die Angebote beinhalteten, (z.B. Kaufverträge und Bankgarantien), woraus sich dann der Preis ergab. Von Seiten des Österreich-Konsortiums gab es auch ein Zusatzangebot: Man wäre bereit, nach der Annahme des Angebots weitere 6,8 Millionen für kleine Gesellschaften zu zahlen, wenn das Baurecht auf dem Grund dieser Gesellschaft um 50 Jahre verlängert werde. 

  • |Elisabeth Hofer

    Notizen

    Beim Angebot der Immofinanz hat Traumüller "non-compliant" notiert. Das sei seine Rechtseinschätzung, die er aber nicht mit dem Notar besprochen habe, erklärt er. 

  • |Elisabeth Hofer

    Chinesische Mauern

    Zum Angebot der CA-Immo hat Traumüller notiert, es müssten unbedingt "Chinese Walls" eingehalten werden, weil es sich um Subunternehmer von Lehman handelte und man keinen Verdacht auf Insiderhandel erzeugen wollte. (Obwohl die CA-Immo ohnehin seit den indikativen Angeboten keine Subaufträge mehr erhalten habe, wie die Richterin nun anmerkt.)

  • |Elisabeth Hofer

    Keine Reihungen

    Traumüller habe dann eine Reihung des Notars erwartet, wer denn nun das beste Angebot gemacht habe. Das habe der Notar zu seiner Verwunderung aber nicht gemacht. 

    Warum das nicht so einfach zu sagen ist, hat komplizierte baurechtliche und vertragsrechtliche Hintergründe, die hier in der Kürze leider nicht widergegeben werden können. 

  • |Elisabeth Hofer

    40.000 Seiten Vertrag

    Der Notar habe sich etwa 20 Minuten mit den Angeboten befasste, erklärt Traumüller auf Nachfrage. Und: Der Kaufvertrag hatte 40.000 Seiten oder mehr. 

  • |Elisabeth Hofer

    Der Vormittag davor

    Traumüller erklärt nun, wie der Vormittag vor dem Notariats-Termin abgelaufen ist. Da habe er sich mit dem Vorkaufsrecht für Kärnten beschäftigt. 

  • |Elisabeth Hofer

    Nicht in Stein gemeißelt

    Traumüller habe vorgeschlagen, Kärnten sieben plus drei oder vier Tage für die Ausübung des Vorkaufsrechts zu gewähren, also mehr als die ursprünglich geplanten sieben Tage. "Die Woche war nicht in Stein gemeißelt", sagt der Zeuge. 

  • |Elisabeth Hofer

    Berlin-Vergleiche

    Er habe dann mit dem Zeugen N. telefoniert, der heute Nachmittag geladen ist. N. habe ihm von einem ähnlichen Privatisierungsprojekt in Berlin erzählt und angeregt, dass Traumüller das genauer recherchieren solle, um in der zu erwartenden Mediendebatte Argumente zu haben. Zusammengefasst: Wenn die Deutschen das können, geht das in Österreich auch. 

     

  • |Elisabeth Hofer

    Kärnten sollte prüfen

    Wir sehen nun einen Prozessbrief an das Land Kärnten. Darin ist auch die Möglichkeit eine Due Diligence erwähnt. 

  • |Elisabeth Hofer

    Hat Grasser angerufen?

    Die Richterin möchte wissen, ob Traumüller nach der Öffnung der Angebote einen Anruf von Grasser erhalten habe, um von den Ergebnissen der Öffnung zu erfahren? (Das hatte der Zeuge M. ausgesagt.) "Nein", sagt der Zeuge. Er habe erst zwischen 17.30 und 18.00 Uhr an diesem Tag mit Grasser gesprochen. 

  • |Elisabeth Hofer

    Berechnungen

    Traumüller habe sich dazwischen ein politisches Argumentarium zurechtgelegt. Zu diesen Zwecke berechnete er den sogenannten Enterprise-Value, eine wirtschaftliche Messgröße, um den Gesamtunternehmenswert festzusetzen. Ergebnis: Etwa 2,4 Milliarden Euro.
  • |Elisabeth Hofer

    Brain-Storming mit dem Minister

    "Nach diesem Brain-Storming mit Ihnen selber, gab es noch ein weiteres Brain-Storming?", fragt die Richterin. Brain-Storming würde er es nicht nennen, aber es gab einen Termin mit dem Minister am Abend. Da war dann auch Winkler dabei. Er habe verkündet, dass die Öffnung stattgefunden habe und dass gegenwärtig gerechnet werde. Am Ende des Termins stand die Frage im Raum, ob es eine weitere Verhandlungsrunde geben sollte. Man verabredete einen Termin am Montag darauf im Gelben Salon. Traumüller habe auch gesagt, dass er Angst habe, dass etwas schief gehen könnte, zwischen der Bank Austria und der CA-Immo.

    Außerdem war Thema, wann man frühestens Kärnten informieren sollte. Der 11.6. wurde genannt. Und ein Termin für die Kommission am 13.6. Traumüller glaubt sich zu erinnern, dass Winkler dabei stand, aber gar nichts sagte. 

  • |Elisabeth Hofer

    Arbeit am Wochenende

    Das folgende Wochenende über habe Traumüller keinen Kontakt mit Grasser gehabt, sondern habe an seinem "Argumentarium" gearbeitet. 

  • |Elisabeth Hofer

    Treffen im Gelben Salon

    Jetzt kommen wir zu dem berühmten Termin am Montag darauf im Gelben Salon, an dem die zweite Angebotsrunde Thema war. 

    Traumüller habe dabei sehr optimistisch argumentiert, gesagt "Wir gehen vielleicht in Richtung 2,4 Milliarden." "Warum 2,4 Milliarden?", fragt die Richterin. Zuvor ging es ja immer um eine Milliarde. "Bartransaktionsvolumen", sagt Traumüller. Die Richterin gibt zu bedenken, dass Grasser als Betriebswirt ja mit Zahlen und Begriffen wie Enterprise-Value umgehen kann. 

  • |Elisabeth Hofer

    Kurze Pause

    Wir machen an dieser Stelle 15 Minuten Pause.

  • |Elisabeth Hofer

    Es geht weiter

    Die Richterin lädt Traumüller für 26. März erneut, da seine Befragung auch heute nicht abgeschlossen werden kann.
  • |Elisabeth Hofer

    Zeitliche Abstimmung

    Ab wann war der Zeuge N. in das Privatisierungsverfahren eingeweiht? Ab 7. Juni 2004, sagt der Zeuge. "Und das Gespräch am 4.6., das Sie mit ihm geführt haben, war dann was?", fragt die Richterin. "Eher zeitliche Abstimmung", sagt Traumüller. 

  • |Elisabeth Hofer

    Traumüller im KURIER-Interview

    Vieles von dem, was Traumüller heute hier aussagt, hat er übrigens schon zuvor in einem KURIER-Interview erklärt. Hier das ganze Gespräch zum Nachlesen.

  • |Elisabeth Hofer

    Nicht notwendig

    Frage: Warum ist die Kommissionssitzung am 8.6. entfallen? Der Zeuge erklärt sinngemäß, dass das ja keinen Sinn ergeben hätte, wenn eine zweite Bieterrunde ausgerufen wird.
  • |Elisabeth Hofer

    Die Lehman-Präsentation

    Traumüller schildert, dass die Stimmung bei dem Termin gut war und erklärt, wer wo gesessen ist. Nun geht er die Präsentation der Lehman Brothers mit den möglichen Verkaufsvarianten durch. (Es ist jene Präsentation, die wir im Laufe der Verhandlung bereits mehrmals gesehen und erklärt bekommen haben.)

    Traumüller führt an, dass er die Präsentationsunterlagen nach dem Termin wieder abgeben musste. Die Richterin ist irritiert. Immerhin habe man die Unterlagen ja bei ihm gefunden. Der Zeuge erklärt, dass er seine gesamten Unterlagen ja nicht so geführt habe, sondern seine Sekretärin. Er habe die Unterlagen auch sicher nicht so sauber geordnet hinterlassen, wie sie jetzt da liegen. Was in der Zwischenzeit damit passiert ist, kann er nicht sagen und auch nicht, wie die Präsentationsunterlagen hineinkommen.

  • |Elisabeth Hofer

    Eine Keule

    In der Präsentation ist das Zinsänderungsrisiko sehr detailliert angeführt. Das sei sehr überraschend gewesen, sagt Traumüller. Er erinnere sich sehr gut an die Mimiken im Raum, als darüber gesprochen wurde. Es herrschte Überraschung und Unsicherheit: "Warum sagt man uns das überhaupt, wir wollen das nicht wissen. Das war eine merkwürdige Situation."

    Das Zinsänderungsrisiko sei für ihn "eine Keule" gewesen, da er nicht erwartet hatte, dass man so viel zahlen muss innerhalb von wenigen Wochen für eine Bankgarantie. 

  • |Elisabeth Hofer

    "Nicht meine Aufgabe"

    Bis heute wisse er nicht, was mit dem Begriff "Finanzierungszusage über 960 Millionen Euro", wirklich gemeint war, sagt der Zeuge. Es habe ihn gejuckt, da nachzufragen. Warum er nicht nachgefragt habe, will die Richterin wissen. "Wenn andere den Auftrag haben, in diesem Fall Lehman, dann ist es ihre Aufgabe, da nachzufragen."

  • |Elisabeth Hofer

    Befragung für heute zu Ende

    Damit ist Traumüller für heute entlassen. Nach der Mittagspause geht es mit dem nächsten Zeugen weiter.
  • |Elisabeth Hofer

    Auf Wiedersehen!

    Auch ich darf mich für heute von Ihnen verabschieden. Danke, dass Sie dabei waren und bis zum nächsten Mal. 

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