Auftakt zum Endspurt im Kampf um Wien
Eigentlich sollte es für Michael Häupl schon fast so etwas wie Routine sein. In einem Monat stellt sich der seit 21 Jahren in Wien amtierende Bürgermeister zum fünften Mal der Wahl, gestern wurde der Wahlkampf offiziell eröffnet. Doch dem 11. Oktober kann das Stadtoberhaupt alles andere als gelassen entgegen sehen. Die Ausgangslage ist so prekär wie nie.
Obwohl Häupl als Wahlziel die Rückeroberung der absoluten Mehrheit ausgegeben hat, ist diese für ihn "so weit entfernt wie noch nie", analysiert auch Politologe Anton Pelinka im KURIER-Gespräch. "Zum ersten Mal besteht sogar die Möglichkeit, dass Platz eins in Gefahr ist."Tatsächlich sind die Blauen den Roten in Umfragen gefährlich nahe gerückt. Während der Häupl-Truppe herbe Verluste im Vergleich zu 2010 (siehe Grafik) prognostiziert werden, dürften Strache & Co. die 30-Prozent-Marke überspringen. Derzeit trennen SPÖ und FPÖ noch 19 Prozentpunkte. Pelinka: "Ich gehe davon aus, dass der Abstand deutlich geringer wird." Das liegt u. a. an der vorherrschenden Gemengelage – hohe Arbeitslosigkeit, ein stotternder Wirtschaftsmotor, die Flüchtlingskrise – und an der in manchen roten Kreisen ungeliebten Koalition mit den Grünen.
Glaubt der langjährige SPÖ-Beobachter Pelinka, dass die FPÖ tatsächlich die Nummer eins werden könnte? "Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, aber nicht für gänzlich ausgeschlossen." So sieht das auch Ex-SPÖ-Manager und PR-Berater Josef Kalina, dessen Geschäftspartner die Wahlwerbung für Häupl & Co. übernommen haben. Auf unzähligen Plakaten wird der Bürgermeister mit dem Slogan "Für Wien brauchst a G’spür" beworben. Der Chef-Genosse wird als derjenige präsentiert, der für Wohnungen, Arbeits- und Kindergartenplätze sorgt. Man setzt in Dialekt-Manier auf rote Kernthemen, etwa so: "Jeder junge Mensch muss seinen Ausbildungsplatz haben. Da geb’ i ned nach."
Intellektueller Biertischpolitiker
Für Pelinka tarnt sich da "der Intellektuelle", Häupl ist ja promovierter Naturwissenschafter, "als Biertisch- und Brunnenmarktpolitiker". Eine gelungene Mischung? "Ja, diese Volksverbundenheit ist immer gut angekommen."
Wie gut kommt es an, dass Häupl in der Flüchtlingspolitik bewusst einen Kontrapunkt zu HC Strache setzt – und sich als menschlicher Macher gibt? "Das ist nicht ohne Gefahr", aber der rote Frontmann gehe wohl davon aus, dass er damit in der Wählerschaft der Grünen und der Neos Leute ansprechen könne.
Tote polarisieren
Primär profitieren von dem alles überlagernden Flüchtlingsthema freilich die Blauen, wiewohl manche Politik-Beobachter zuletzt eine geringe Stimmungsänderung feststellen wollen. Die Bilder jenes toten Dreijährigen, der im türkischen Bodrum angespült worden ist – und die Tragödie auf der Ostautobahn, wo 71 Flüchtlinge in einem Kühltransporter erstickt sind, haben viele erschüttert. In der Bundeshauptstadt gab es zuletzt eine Welle der Hilfsbereitschaft. Es bleibt freilich abzuwarten, wie sich die Situation bis zum Wahltag entwickelt, sind Experten einig.
Faktum ist, dass sich alles auf "Häupl gegen Strache" zuspitzt. Das Duell mobilisiert die jeweilige Wählerschaft. "Es wollen mehr Leute als beim letzten Mal wählen gehen", hat Kalina über sein Institut erhoben. 2010 betrug die Wahlbeteiligung nur 67 Prozent.
Kommentare