Armutszeugnis: Jedes vierte Kind braucht Nachhilfe

Man kann den Kindern auch mit mobilen Smartphone-Experimenten Beschleunigung erklären, wie Christian Reimers im futurezone-Gespräch erklärt.
Eltern investieren heuer 119 Millionen Euro, um den Nachwuchs zu unterstützen.

Österreich zählt zu den reichsten Ländern weltweit, dennoch benötigen 230.000 Kinder Nachhilfe. Fast jeder vierte Schüler (23 Prozent) braucht also Unterstützung. Dieses Armutszeugnis hat die Arbeiterkammer (AK) gestern dem Schulsystem ausgestellt. Das triste Urteil, das auf einer Befragung von mehr als 3300 Eltern (März/April 2015) basiert, erstaunt Außenstehende insofern, als drei Viertel aller Befragten ohnedies fast täglich mit ihren Kids lernen oder zumindest die Hausübung kontrollieren.

130.000 (von 230.000) Kinder und Jugendliche bekommen bezahlte Nachhilfe (siehe Grafik). Mütter und Väter investieren dafür heuer 119 Millionen Euro – zehn Millionen mehr als 2014. Pro Kind sind es im Schnitt 657 Euro. 60.000 Kinder werden kostenlos unterstützt (von Verwandten, Bekannten, Gratis-Nachhilfe-Einrichtungen). 40.000 Schüler würden Hilfe brauchen, die Eltern haben aber kein Geld für Nachhilfe, und ein Gratis-Angebot ist nicht vorhanden.

Angstfach Mathematik

Armutszeugnis: Jedes vierte Kind braucht Nachhilfe
Die meisten Kinder müssen im "Angstfach" Mathematik (67 Prozent) zusätzlich gefördert werden, viele auch in Fremdsprachen (Grafik).

Hauptmotiv für die Nachhilfe ist, dass eine Note verbessert oder eine Nachprüfung verhindert werden soll.

50 Prozent der Nachhilfe-Schüler werden das ganze Jahr über neben der Schule noch unterrichtet, der Rest nur vor wichtigen Schularbeiten oder Tests.

AK-Präsident Rudolf Kaske fordert angesichts der seit fünf Jahren nahezu unverändert hohen Zahlen einmal mehr den Ausbau von Ganztagsschulen: "Die klassische Halbtagsschule nimmt zu wenig Verantwortung für den Lernerfolg der Kinder wahr." Es gehe auch um soziale Gerechtigkeit: "Der Schulerfolg darf nicht davon abhängen, wie gut die Eltern selbst ihren Kindern beim Lernen helfen können oder wie viele Eltern sich bezahlte Nachhilfe leisten können."

Bildungsexperte Andreas Salcher plädiert im KURIER-Gespräch auch für mehr Ganztagsschulen. "Ich trete dafür seit Jahren ein. Es müssen aber echte Ganztagsschulen sein." Unterricht und Freizeit sollten also über den ganzen Tag verteilt und die Kinder auch nachmittags von Lehrern betreut werden. So könnten die Schüler individueller gefördert werden.

Salcher meint, es müsste aber auch die Lehrer-Ausbildung verbessert werden. "In Mathematik gibt es ein massives pädagogisches Problem. Viele Lehrer sind zwar fachlich gut ausgebildet, haben aber nicht gelernt, wie sie ihr Wissen rüberbringen."

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