Flucht aus dem Osten: Zurück am Ort des "Picknicks"
Er ziert sich. Der 54-jährige schlaksige Deutsche behält seinen Nachnamen lieber für sich. Dabei ist Thorsten J. aus Nordrhein-Westfalen unter den 200 bis 300 Menschen, die sich an diesem Montag an der österreichisch-ungarischen Grenze bei St. Margarethen eingefunden haben, einer der wenigen, die schon vor 30 Jahren hier waren.
Der damals 24-Jährige aus dem Berliner Umland nutzte wie rund 600 andere damalige DDR-Bürger am 19. August 1989 das paneuropäische Picknick zur Flucht in den Westen. Als er vor drei Jahrzehnten mit anderen von Sopron zur Grenze marschierte, hätten ihnen Leute zugerufen: „Beeilt euch, die machen gleich wieder zu.“ Thorsten J. schaffte es noch und ist „Ungarn und Österreich dankbar“. Heute bekomme er „feuchte Augen“, damals „waren wir jung und haben uns gefreut“.
Von der Freude von damals ist im August 2019 wenig zu spüren. Anders als vor zehn Jahren, als hier ein Riesenfest gefeiert wurde und die damaligen Staatsoberhäupter Heinz Fischer und László Sólyom eine Trabi-Parade beklatschten, fanden die staatstragenden Feiern zum 30. Jahrestag der kurzzeitigen Grenzöffnung mit langfristiger Wirkung im 15 Kilometer entfernten Sopron statt. Ministerpräsident Viktor Orbán, der 2009 noch nicht im Amt war, habe die Feierlichkeiten an sich gerissen, hört man in Eisenstadt. Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil war dem Vernehmen nach der einzige österreichische Spitzenpolitiker in Sopron.
„Verrückte Welt“
Am Ort des historischen Picknicks lud am Montag unter anderen der Europäische Weinritterorden zum „Paneuropa-Wein-Picknick“ – samt Habsburger-Nostalgie. Von den Reden bekamen die Touristen auf dem zum History-Parcours aufgemöbelten Gelände kaum etwas mit.
„Ich war 1995 zuletzt hier, das sieht nicht mehr aus wie damals“, sinniert Zeitzeuge J. Man versuche den Platz jetzt „touristisch zu nutzen“. Und nach einer kurzen Pause: „Verrückte Welt.“
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