„Wir Palästinenser wollen unsere Geschichte selbst erzählen“

Die palästinensische Filmemacherin Najwa Najjar wehrt sich gegen Klischees und spricht über die Macht von Bildern.

Unruhen, Tunnel, Freitagsproteste, getötete Attentäter, Raketen aus dem oder in den Gazastreifen. Wenn Palästina in „westlichen“ Nachrichten Erwähnung findet, dann meist in Verbindung mit Gewalt. „Wenn du schon seit Kindesalter immer in eine Ecke getrieben wirst, dann macht das etwas mit dir“, sagt Najwa Najjar. „Ständig wird einem gesagt: ,Du bist ein Terrorist.‘“ Die mehrfach ausgezeichnete Filmemacherin weiß, wie die Bilder, die vermittelt werden, für Vorurteile sorgen.

Najwa Najjar ist Palästinenserin, sie hat in den USA Politikwissenschaft studiert und war schockiert, welches Bild dort von Palästinensern verbreitet war. Ein Narrativ von Terrorismus, Fundamentalismus und Unterdrückung. Viele kennen Geschichten über Palästinenser, kaum von ihnen.

Vereinfachte Darstellung

Oft seien die Menschen gar nicht selber schuld an ihrer einseitigen Sicht, sondern das Angebot an Informationen, das es über eine Region oder Gruppe gibt, glaubt Najjar. Wenn jemand anderer die Macht darüber hat, welche Geschichten über ein Volk erzählt werden, werden die Dinge oft vereinfacht, sagt Najjar. Die unterdrückte Frau, der gewaltbereite Mann. Dieses Narrativ werde durch Bilder gerechtfertigt.

Serien wie „Fauda“, eine Produktion, in der es um eine israelische Anti-Terror-Einheit im Westjordanland geht, findet Najjar „rassistisch“. „Es ist wie die Filme mit Cowboys und Indianern“, vergleicht die Filmemacherin.

Das mindeste, was man als Filmemacherin tun könne, sei, dass man seine eigene Geschichte selbst erzähle, sagt Najjar dem KURIER. Gekonnt verwebt sie in ihren Produktionen das Politische mit dem Privaten. „Ich will andere, realitätsgetreuere Bilder von palästinensischen Frauen zeigen. Ich will andere Bilder von Männern zeigen. Ich will unsere Häuser zeigen, die Leute hierhin einladen.“

Komplexe Charaktere

„Ein Dokumentarfilm beschreibt zwar eine Geschichte oder ein Problem. Aber er zeigt nicht die kleinen Dinge im Hintergrund, dabei sind die so wichtig.“ Deshalb macht Najjar Spielfilme und will die Komplexität der Charaktere beschreiben und ihre Lebensumstände.

Ihr Film „Eyes of a Thief“, den Najwa Najjar bei den Palästinensischen Filmtagen in Wien zeigte, basiert auf einer wahren Begebenheit. Der Hauptdarsteller befindet sich auf der Suche nach seiner Familie. Alles spielt im Westjordanland, dort wurde auch gedreht.

Wenn in US- Filmen oder Serien Palästinenser vorkommen, dann oft in Verbindung mit religiöser Symbolik. Das findet die Filmemacherin Najjar schade: „Unser Kampf ist kein religiöser, sondern ein nationaler, es geht einfach um Land.“

Konflikt um Land

In der Diskussion um den Nahost-Konflikt vergesse man zu oft, wie das Drama begonnen habe, sagt die Regisseurin. „Ein deutsches Problem wurde zu unserer Katastrophe“, kommentiert Najjar die Gründung des Staates Israel 1948. Aus einem Kampf um Land wurde durch Politik und Medien ein religiöser gemacht. „Aus dem Narrativ wurden Christen, Agnostiker und Atheisten einfach verbannt – und daraus wurde ein Kampf zwischen Juden und Muslimen. Da fällt man schnell in die Antisemitismus-Falle.“

Najwa Najjar arbeitet derzeit an ihrem neuen Film „Son of a very important man“, einer „Liebesgeschichte über die Scheidung“, wie sie es selbst beschreibt.

 

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