Wie die Rechten Schwedens neue Regierung vor sich hertreiben
„Nach fünfzig Seiten ist mir Anne Frank bisher nur unmoralisch vorgekommen. Als die Geilheit selbst“ – mit dieser bedenklichen Aussage über das Tagebuch der Anne Frank löste Rebecka Fallenkvist, eine Funktionärin der rechtspopulistischen Partei der Schwedendemokraten, kurz vor der Abstimmung über den neuen schwedischen Ministerpräsidenten am Montag einen Skandal aus.
Tauziehen
Die auf Instagram veröffentlichten Worte führten nämlich nicht nur zu Fallenkvists eigener Suspendierung, sondern auch zu Ungewissheit darüber, ob die Liberale Partei der neuen Regierungskoalition zustimmen würde – eine Koalition, deren Teil die Liberalen selbst sind und die Schwedendemokraten nicht.
Das Problem: Die Minderheitsregierung aus Konservativen, Christdemokraten und Liberalen benötigt die Unterstützung der Schwedendemokraten, die ihre Wurzeln im rechtsextremen Umfeld haben, für die Mehrheit im schwedischen Reichstag. Letztlich sahen die Liberalen über den Sager Fallenkvists hinweg und nicht ein Parteimitglied stimmte gegen den Konservativen Ulf Kristersson als neuen Ministerpräsidenten.
Warum? „Machtgier“, glaubt der Nordeuropa-Experte Bernd Henningsen von der Humboldt Universität Berlin: „Sie wollten in die Regierung und hatten die Chance dazu.“
Kritik an Kristersson
Die Abstimmung, fünf Wochen nach der Parlamentswahl, ging mit 176 zu 173 Stimmen erwartet knapp aus. Kristersson ist mit seiner Entscheidung, die Schwedendemokraten als Unterstützer heranzuziehen, auf viel Kritik gestoßen. „Innerhalb seines Lagers wird es aber akzeptiert, und das ist, was zählt“, so Henningsen.
Für Dienstag kündigte Kristersson eine Regierungserklärung sowie die Präsentation des neuen Kabinetts an. Experte Henningsen rechnet damit, dass die Agenda der Schwedendemokraten jetzt offizielle Regierungspolitik wird: „Wenn die tatsächlich in der Regierung befindlichen Parteien dem nicht folgen, werden die Schwedendemokraten ihnen die Unterstützung entziehen.“ Ganz oben auf dieser Agenda: eine restriktive Migrationspolitik. „Das wird eine Kehrtwende“, vermutet Henningsen angesichts der Tatsache, dass Schweden Migranten jahrzehntelang mit offenen Armen aufgenommen hat.
Härtere Strafen
Außerdem zu erwarten sind härtere Strafen bei Gewalt und Sexualverbrechen, laut Henningsen kommt das nicht überraschend: „Das große Problem der schwedischen Innenpolitik der letzten Jahre war die zunehmende Bandenkriminalität.“ Die vorherige Regierung unter Sozialdemokratin Magdalena Andersson habe das Problem nicht in den Griff bekommen, das sei auch im Wahlkampf immer wieder kritisiert worden.
Trotzdem pro-europäisch
Dass die Regierung Schwedens pro-europäische Einstellung ändern könnte, glaubt der Experte nicht, selbst die Schwedendemokraten seien schließlich mittlerweile nicht mehr anti-europäisch. Je nachdem, wie hart die Migrationspolitik verfolgt wird, könnte Schweden aber durchaus Probleme mit Brüssel bekommen. Auch den NATO-Beitritt sieht Henningsen durch die neuen Regierung nicht in Gefahr.
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