Wie der NATO-Deal mit Schweden zustande kam

NATO-Generalsekretär Stoltenberg konnte Erdoğan umstimmen
Nach der zweifachen Volte des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan an nur einem Tag steht dem NATO-Beitritt Schwedens offenbar nichts mehr im Weg. Oder doch? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.
Was war die Position der Türkei? Ankara hatte von Anfang an den Beitritt Schwedens blockiert. Begründet wurde das Veto damit, dass die Regierung in Stockholm nicht energisch genug gegen „Terroristen“, namentlich gegen Aktivisten und Sympathisanten der Kurden-Guerilla PKK vorgehe. Am Montag noch hatte Erdoğan die NATO-Mitgliedschaft Schwedens mit neuen EU-Beitrittsgesprächen seines Landes verknüpft, ehe er am Abend dann doch grünes Licht gab.
Was waren die Beweggründe für das Einlenken? Offiziell hieß es, dass ein „Sicherheitspakt“ zwischen Schweden und der Türkei geschlossen worden sei, um „Terrorismus“ zu bekämpfen. Der Inhalt blieb ebenso diffus wie das Versprechen Stockholms, sich für die Wiederbelebung der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei einzusetzen. In Wahrheit dürften aber zwei andere Gründe entscheidend gewesen sein.
Zum einen bewegten sich die USA in der Frage der (bisher blockierten) Modernisierung der türkischen F-16-Kampfjet-Flotte. Zum anderen wurde der Druck auf Erdoğan zu groß, zumal die darniederliegende Wirtschaft in seiner Heimat dringend neue Investitionen braucht. Und der Wiederaufbau nach dem verheerenden Erdbeben vom Februar dieses Jahres Unsummen verschlingt.
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Wird Schweden somit fix das 32. NATO-Mitglied? Mit großer Wahrscheinlichkeit ja. Allerdings muss noch das Parlament in Ankara zustimmen. Das sollte reine Formsache sein, wobei Erdoğan immer wieder für Überraschungen gut ist. Auch Ungarn muss der Aufnahme noch zustimmen, doch davon kann man definitiv ausgehen.
Was bedeutet der Schritt für Schweden? Es ist eine historische Zäsur: Das nordische Land gibt nach mehr als 200 Jahren seine Bündnisfreiheit auf.
Was bedeutet die Entwicklung für die NATO?Schweden ist vor allem geostrategisch von Bedeutung: Die Nordostflanke wird dadurch (auch durch den bereits im April erfolgten NATO-Beitritt Finnlands) massiv gestärkt. Künftig wird die gesamte Ostseeküste – mit Ausnahme des Abschnitts Russlands und dessen Exklave Kaliningrad – NATO-Territorium sein.
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