Was Österreich von Englands strenger Innenministerin lernen möchte

Was Österreich von Englands strenger Innenministerin lernen möchte
Suella Braverman ist heute auf Wien-Besuch. In den britischen Medien sorgte sie diese Woche einmal mehr mit harten Worten für Schlagzeilen.

Die britische Vorliebe für Spitznamen macht auch vor den Spitzenpolitikern nicht Halt. Keir Starmer wurde von Premier Rishi Sunak im Frühling als Sir Softy bezeichnet; Liz Truss war als "Chief Disruptor" (dt. Chef-Störerin) bekannt. Und die britische Innenministerin Suella Braverman hat von der Bevölkerung den wenig schmeichelhaften Beinamen "Cruella" erhalten. Denn kaum eine Woche vergeht, in der sie nicht mit einer ihrer scharfen Aussagen für Schlagzeilen sorgt.

Diese Woche gelang ihr das mit dem Kommentar zu den Pro-Palästina-Märschen, als sie diese “Hassmärsche” nannte.

Was Österreich von Englands strenger Innenministerin lernen möchte

Konkret bemerkte Bravermann nach einer Cobra-Sitzung am Montag, nach dem am Samstag in London rund 100.000 Menschen auf die Straße gegangen waren: “Wir haben gesehen, wie Zehntausende von Menschen nach dem Massaker an jüdischen Menschen, dem größten Verlust an jüdischem Leben seit dem Holocaust, auf die Straße gegangen sind und die Auslöschung Israels von der Landkarte gefordert haben.”

"Absolut verwerflich" 

Die Kritik der Opposition ließ nicht lange auf sich warten. Sir Chris Bryant, innenpolitischer Sprecher der Labour-Partei, nannte ihren Kommentar in BBC Radio 4 “absolut verwerflich”. Denn: “Die Behauptung, jede einzelne Person auf diesen Märschen sei an einem Hassmarsch beteiligt gewesen, ist ganz offensichtlich nicht wahr und erschwert es der Polizei, ihre Arbeit ordnungsgemäß zu erledigen." 

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Und Alistair Carmichael, innenpolitischer Sprecher der Liberaldemokraten, sagte dem Evening Standard:  “Agesichts des Anstiegs von Hassverbrechen in den letzten Wochen wäre es mir lieber, wenn die Ministerin ihre Zeit damit verbringen würden, dafür zu sorgen, dass die Polizei die Schuldigen fassen kann, anstatt Interviews zu geben, die nichts zum Abbau von Spannungen beitragen werden."

Arbeitstreffen in Wien

Vor genau einem Jahr beförderte sich Braverman mit einem anderen Kommentar auf die Titelseiten. Bei der Tory-Konferenz ließ sie mit ihrem Traum, ja mehr ihrer "Besessenheit", wie sie meinte, aufhorchen: „Ich würde gerne auf der Titelseite des Telegraph ein Flugzeug sehen, das nach Ruanda abhebt.“ An Bord: britische Asylwerber, die dort ihren Antrag stellen sollten.

Und dieses Thema wird sie heute mit Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) besprechen. Die englische Innenministerin ist für Arbeitsgespräche nach Wien gekommen.

Was Österreich von Englands strenger Innenministerin lernen möchte

Bei dem Treffen stehen die Terrorbekämpfung und das so genannte „Dänemark“-Modell, also Asylverfahren in Drittstaaten, im Mittelpunkt.  „Großbritannien hat große Erfahrung, wenn es darum geht, Asylverfahren zukünftig außerhalb Europas durchzuführen", sagt Innenminister Karner. "Das wird ein wichtiges Thema beim Arbeitsbesuch der britischen Innenministerin in Wien sein. Denn von diesen Erfahrungen kann auch Österreich profitieren. Wir werden weiter konsequent daran arbeiten, dass die EU-Kommission solche Asylverfahren außerhalb Europas vorantreibt und damit ermöglicht.“

Boote stoppen

Stop The Boats (“Stoppt die Boote”) so lautet seit einem Jahr der große Slogan der konservativen Partei; es ist einer der fünf Versprechen, die Sunak bei seiner Neujahrsrede gab. Das Ankommen von Geflüchteten über den gefährlichen Ärmelkanal soll komplett verhindert werden. Eine neue Regelung macht es seit Sommer jenen, die auf illegalem Weg nach England kommen, unmöglich, hier einen Antrag auf Asyl zu stellen.

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17 Monate Rechtsstreit

Doch der Plan, illegal Angekommene nach Ruanda abzuschieben, stieß auf harten Widerstand. Der bis dato einzige geplante Flug nach Ruanda wurde im Juni 2022 wenige Minuten vor Abflug gestoppt.

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