USA: Poker mit leeren Kassen geht weiter
Auch zwei Tage vor der drohenden Zahlungsunfähigkeit der US-Regierung zeichnet sich keine Lösung des Budgetstreites ab. Das von der Opposition dominierte Repräsentantenhaus stimmte am frühen Sonntagmorgen einem Gesetzesentwurf zu, der zwar die drohende Zahlungsunfähigkeit des Staats am 1. Oktober abwendet, jedoch dies mit der Aufschiebung von Obamas Gesundheitsreform verknüpft. Die demokratische Mehrheit im Senat kündigte an, dem Text ihre Zustimmung zu verweigern.
Dieser hatte bereits am Freitag einen Übergangsetat gebilligt, der jedoch keine Kürzungen für "Obamacare" vorsieht. Mit der nun erfolgten Abstimmung im Repräsentantenhaus spielt dieses den Ball wieder an den Senat zurück. Reid bezeichnete den vom republikanischen Mehrheitsführer John Boehner eingebrachten Entwurf als "sinnloses" Manöver. "Nach Wochen unsinniger politischer Spiele der Republikaner stehen wir immer noch am Anfang", erklärte Reid. Das Volk werde sich nicht von den "Tea-Party-Anarchisten" erpressen lassen, sagte Reid mit Blick auf den radikalen Flügel der Republikaner.
Die nach Präsident Obama auch " Obamacare" genannte Gesundheitsreform ist vielen Republikanern verhasst. Der nunmehr im Repräsentantenhaus gefasste Beschluss richtet sich auf Druck der radikalen Tea-Party-Bewegung insbesondere gegen die Androhung eines Bußgelds, wenn Bürger bis zum 1. Jänner keine Krankenversicherung abgeschlossen haben. Obama kündigte an, in jedem Fall sein Veto gegen den Text einzulegen (Details zum Budgetpoker: siehe unten).
Eigentlich geht US-Abgeordneten nichts über ihr Wochenende. Doch zumindest die Fraktion der Republikaner aus dem Repräsentantenhaus musste diesmal in Washington Überstunden machen. Fraktionschef John Boehner hatte zu einer Sondersitzung seiner Partei gerufen. Es ging um das Thema, das in diesen Tagen die US-Politik bestimmt: Der Grabenkrieg um das Budget.
Montag um Mitternacht läuft die Frist aus, um ein neues Budget zu verabschieden, zumindest ein provisorisches , wie so oft in den vergangenen Monaten. Gelingt das nicht, ist die US-Regierung wieder einmal zahlungsunfähig. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Streit ums Budget eine US-Regierung lahmlegt. 17-mal seit 1976 gab es zumindest vorübergehend kein Geld mehr. Wirklich schließen aber mussten meist nur weniger staatstragende Einrichtungen wie Nationalparks oder Museen. Polizei, Grenzschutz oder Steuerbehörden verrichteten ihren Dienst ausnahmslos weiter.
Doch so versteinert wie jetzt waren die politischen Fronten zwischen Demokraten und Republikanern schon lange nicht mehr. Im Brennpunkt des Streits ist das politische Großprojekt der Obama-Regierung – und damit das Feindbild vor allem rechter Republikaner: Die Gesundheitsreform. Obamas Pläne, die etwa 50 Millionen unversicherten Amerikanern endlich eine Krankenversicherung bringen sollen, ist für sie ein Anschlag auf die Freiheit der US-Bürger. Und darum ist man entschlossen, sie zu Fall zu bringen, wenn es sein muss, auf Kosten einer Staatskrise.
Kompromiss-Suche
Das Repräsentantenhaus ist im politischen System der USA grundsätzlich die mächtigste Instanz in Finanzfragen, und dort haben die Republikaner die Mehrheit. Der von den Demokraten dominierte Senat hat bereits einen Budgetentwurf abgesegnet, der auch die notwendigen Mittel für Obamacare, wie die Gesundheitsreform spöttisch genannt wird, einschließt. Das Repräsentantenhaus kann diesen Entwurf gänzlich ablehnen. Damit geht das Spiel in eine neue Runde – und der US-Staatshaushalt vorerst einmal in den Bankrott.
Der rechte Flügel der Republikaner, allen vor an die fundamentalistische Vereinigung der Tea Party will genau das. Doch Fraktionschef Boehner weiß, dass diese Partout-Haltung bei den Wählern der politischen Mitte auf Ablehnung stößt. Also muss er versuchen, einen Kompromiss herauszuarbeiten, bei dem man Obamacare zurechtstutzt oder sogar verschiebt. Gehen die Demokraten darauf ein, kann das Budget rechtzeitig gerettet werden: ein politischer Erfolg für die Republikaner.
Präsident Obama hat schon angedeutet, dass er bei der Gesundheitsreform zu Abstrichen bereit ist. Wenn die Republikaner Ideen hätten, das Gesetz „zu verbessern“, meinte er in seiner wöchentlichen Radioansprache, sei er zu Gesprächen bereit: „Aber das wird nicht unter dem Druck der Zahlungsunfähigkeit passieren.“
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