„Wir brauchen die Amerikaner“: Warum sich beim EU-Gipfel alles um Trump drehte

„Wir brauchen die Amerikaner“: Warum sich beim EU-Gipfel alles um Trump drehte
Selenskyj beim EU-Gipfel. Die Suche nach einer Friedenslösung für die Ukraine nimmt Fahrt auf. Doch Entscheidungen ohne die USA will und kann niemand treffen.

Nein, gering schätzen wollte Wolodymyr Selenskyj seine Gastgeber auf keinen Fall. Also betonte er auf dem EU-Gipfel in Brüssel nachdrücklich, wie notwendig die Unterstützung durch die Europäer sei, wie wichtig jede einzelne Luftabwehrbatterie, „mit der wir unsere Atomkraftwerke und unser Stromnetz beschützen können.“

Luftabwehr
Die militärische Unterstützung der Ukraine durch die EU-Staaten wird sich in den kommenden Monaten auf eine Stärkung der Luftabwehr konzentrieren. Es geht vor allem darum, das Energienetz der Ukraine zu schützen

Hohe Verluste
Russland hat seine Angriffe im Osten der Ukraine verstärkt, um vor möglichen Friedensverhandlungen wichtige Gebiete einzunehmen. Das aber führt – nach westlichen Angaben – zu Verlusten von bis zu 2.000 Mann pro Tag

50Milliarden
umfasst die Unterstützung der EU für die Ukraine in den Jahren 2024 und 2025 

Doch der ukrainische Präsident machte auch deutlich, worum es ihm in den kommenden Wochen wirklich geht: „Eine Sicherheitsgarantie der Europäer, das ist für uns nicht ausreichend: „Wir brauchen die Amerikaner.“ Ganz ähnlich auch Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer, der ebenfalls von der "großen Bedeutung der USA für die Sicherheitsarchitektur Europas" sprach, Trump wolle einen "guten Deal" und vor allem den Krieg beenden. Europa müsse also in der Ukraine-Frage "Brücken zu den USA" bauen.

Selenskyjs in Brüssel – vor seinen europäischen Kollegen und vor der internationalen Presse – war also überschattet von jenem Mann, von dem hier mehr die Rede war als von allen Anwesenden: Donald Trump.

In wenigen Wochen, am 20. Jänner, tritt der neue US-Präsident sein Amt an. Und seine bewährt großspurige Ankündigung, den Krieg in der Ukraine quasi im Handumdrehen zu beenden, hat die Europäer dazu gebracht, sich in hektische diplomatische Aktivitäten zu stürzen. Während man also öffentlich brav an den bewährten Slogans wie, man werde die Ukraine „mit allen Mitteln und so lange es nötig ist“ unterstützen, werden Friedensinitiativen aller Art angedacht und diskutiert.

Wann lenkt Putin ein?

So drängt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf eine Friedenstruppe aus den EU-Staaten, die einen eventuellen Waffenstillstand in der Ukraine überwachen soll. Doch auf solche Überlegungen wollen sich die meisten anderen Europäer nicht so einfach einlassen. Aus Polen, das demnächst den EU-Vorsitz für das kommende halbe Jahr übernimmt, oder aus Deutschland kommen dazu betont zurückhaltende Reaktionen. Da würde man das Pferd vom Schwanz aufzäumen, machten Diplomaten am Rande des Gipfels deutlich. Dazu müsse man erst einmal klären, wie man Putin an den Verhandlungstisch bringt. Man müsse die Ukraine in eine starke Verhandlungsposition bringen, militärisch, politisch und finanziell: Darüber sind sich die meisten EU-Entscheidungsträger einig – und wissen zugleich, dass auch das nicht reicht. Sehr deutlich machte das etwa Litauens Präsident Gitanas Nauseda: „Es muss eine Einheit der EU und der USA geben. Die Ukraine unterstützen ohne die Hilfe der Amerikaner wird sehr schwierig.“

Trump am Mittagstisch

Offiziell war es eine ganze Liste an Themen, die die EU-Regierungschefs bei diesem Gipfel zu besprechen hatten. Doch der neue EU-Ratspräsident Antonio Costa und EU-„Außenministerin“ Kaja Kallas, hatten darauf gedrängt, das sonst auf EU-Gipfeln bisher übliche Herumbasteln an Details schon im vorab durch Diplomaten erledigen zu lassen. Die Regierungschefs sollten sich darauf konzentrieren, offene und grundsätzliche Debatten zu führen.

Der Machtwechsel in Syrien, die Krise in Georgien, das Dauerthema Migration, all das wurde relativ rasch abgehakt. Die schriftlichen Schlussfolgerungen daraus blieben vage und formelhaft. Man erklärte, eine Gesprächsbasis mit Syriens neuen Machthabern zu suchen, schickte Ermahnungen an Georgiens zunehmend Moskau zugeneigte Regierung und betonte, beim Thema Migration weiter an der Umsetzung der ausgehandelten Lösungen zu arbeiten.

Im Brennpunkt der Gespräche standen der neue US-Präsident, seine Pläne und welche Konsequenzen die für Europa haben könnten. Was also auf der Tagesordnung unter „Europa und seine Rolle in der Welt“ für die Mittagszeit vermerkt war, sollte sich ebenfalls vor allem um die USA und ihre nächste Führung drehen.

Auch für den ukrainischen Präsidenten, der längst Stammgast auf EU-Gipfeln ist, gibt es keinen Zweifel, an wen er sich – auch von Brüssel aus – mit seinem Wunsch nach Sicherheitsgarantien wenden musste: Die USA. Selenskyj drängt ja seit Längerem auf eine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO, oder zumindest Schutz durch die Militärallianz. Doch auch die hat erst Gewicht, wenn Washington dahinter steht.

Ein schneller Waffenstillstand, wie ihn Trump offensichtlich anpeilt, habe keinen Sinn, weil er nur einen „eingefrorenen Konflikt“ erzeuge, den Putin dann nach seinem Gutdünken wieder anheizen könne.

„Und dann wird es nur Verlierer geben“, wandte sich Selenskyj von Brüssel aus an den nächsten US-Präsidenten: „Ich hoffe, er wird mich verstehen.“

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