Nach Drohnen in Polen: UNO-Sicherheitrat tagt am Freitag

Der UNO-Sicherheitsrat befasst sich auf Antrag der Regierung in Warschau in einer Dringlichkeitssitzung mit der Verletzung des polnischen Luftraums durch Russland. Polen hatte in der Nacht auf Mittwoch mit Unterstützung von NATO-Verbündeten mehrere russische Drohnen abgeschossen. Der polnische Präsident Karol Nawrocki bezeichnete den Vorfall als einen Versuch Russlands, die Reaktion Warschaus und der NATO zu testen. Polen schränkte den Flugverkehr entlang der Ostgrenze ein.
"Diese russische Provokation (...) war nichts weiter als ein Versuch, unsere Fähigkeiten zu testen, unsere Fähigkeit zu reagieren", sagte Nawrocki am Donnerstag vor Soldaten. Es sei ein Versuch gewesen, die Mechanismen innerhalb der NATO und deren Reaktionsbereitschaft zu prüfen. Das polnische Außenministerium teilte mit, der UNO-Sicherheitsrat werde auf Antrag Warschaus zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen. Das Treffen solle am Freitag um 21.00 Uhr MESZ stattfinden, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in New York aus Diplomatenkreisen.
Diplomaten zufolge haben Slowenien, Dänemark, Griechenland, Frankreich und Großbritannien bereits am Mittwoch eine Sitzung für Freitag beantragt. Ministerpräsident Donald Tusk hat den Vorfall als "großangelegte Provokation" bezeichnet und erklärt, er habe Artikel vier des NATO-Vertrags aktiviert, der Beratungen der Bündnispartner vorsieht. Polen wurde bei dem Abschuss der Drohnen von seinen NATO-Verbündeten unterstützt. Es ist das erste Mal, dass ein Mitglied des Militärbündnisses während des russischen Krieges in der Ukraine Schüsse abgegeben hat.
Polen und Lettland schränken Flugverkehr ein
Die von Polen verhängten Einschränkungen des Luftverkehrs entlang der Grenzen zur Ukraine und zu Belarus traten am Mittwochabend in Kraft und gelten bis zum 9. Dezember. Unbemannte Zivilflugzeuge wie Drohnen sind verboten. Flüge sind nur bis zu einer Höhe von etwa drei Kilometern über dem Boden erlaubt. Nur Militärflüge und identifizierbare Zivilflugzeuge, die einem Flugplan folgen, sind zugelassen. "Wir werden alles tun, damit die Bündnisverpflichtungen (...) von unseren Verbündeten erfüllt werden", sagte Tusk vor Piloten der Luftwaffe. "Damit wir als Land und Sie als polnische Piloten niemals allein sind, weder in Friedens- noch in Kriegszeiten."
Auch Lettland schloss seinen Luftraum an der Ostgrenze zu Belarus und Russland für eine Woche. Die Anordnung werde bis zum 18. September mit der Möglichkeit einer Verlängerung gelten, kündigte Verteidigungsminister Andris Spruds auf einer Pressekonferenz in Riga an. Die Entscheidung basiere auf einer Lageeinschätzung der Armee des baltischen EU- und NATO-Landes.
19 Drohnen
Nach Angaben der polnischen Behörden war der polnische Luftraum in der Nacht auf Mittwoch 19 Mal verletzt worden. 16 Drohnen wurden in fünf Regionen geortet, teilte das polnische Innenministerium am Donnerstag mit. Mindestens drei Drohnen seien abgeschossen worden. An dem Abwehreinsatz waren einem Insider zufolge polnische, niederländische und italienische Flugzeuge beteiligt. Es ist das erste Mal seit Beginn des Ukraine-Krieges, dass ein NATO-Mitglied russisches Militärgerät über dem eigenen Territorium zerstört hat. Am Freitag startet zudem das russisch-belarussische Großmanöver Sapad 2025 ("Westen 2025") in Belarus, das bis zum 16. September geplant ist. Nach offiziellen Angaben sollen 13.000 Soldaten teilnehmen.
Die Außenminister von Polen, der Ukraine und Litauen verurteilten das Eindringen mutmaßlich russischer Drohnen in den polnischen Luftraum. In einer gemeinsamen Erklärung bezeichneten sie den Vorfall vom Mittwoch als eine bewusste und beispiellose Provokation Russlands.
Russland wies die Kritik aus Warschau und anderen europäischen Hauptstädten zurück. An der Rhetorik aus Warschau sei nichts Neues, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Russland werde sich nicht weiter äußern, da das Verteidigungsministerium bereits eine Stellungnahme abgegeben habe. Das russische Verteidigungsministerium hatte am Mittwoch erklärt, seine Drohnen hätten einen Großangriff auf militärische Einrichtungen in der Westukraine ausgeführt. Es sei jedoch nicht geplant gewesen, Ziele in Polen zu treffen. Das am Freitag beginnende russisch-belarussische Militärmanöver nahe der polnischen Grenze sei nicht gegen ein anderes Land gerichtet, sagte Peskow weiter.
Militärexperten gehen dennoch von einem gezielten Vorgehen Russlands aus. Bundesheer-Experte Markus Reisner sagte in der ZiB2 des ORF: "Wir haben jetzt quasi wirklich systematisch den Einflug von mehreren Drohnen gleichzeitig und das ist also tatsächlich eine Eskalationssteigerung." Gustav Gressel von der Landesverteidigungsakademie in Wien vermutete im Ö1-Morgenjournal, "dass das eine bewusste Aktion des Kremls war". Es gehe darum, die Reaktion des Westens auszutesten. "Und wenn da nichts kommt, dann ist natürlich die Stimmung in Moskau, wir haben, was die Europäer angeht, ziemlich freie Hand."
Tusk warnt vor russischer Propaganda
Regierungschef Donald Tusk warnte indes vor Desinformationskampagnen Moskaus. "Die Verbreitung russischer Propaganda und Desinformation in der heutigen Situation ist ein Akt zum Schaden des polnischen Staates, der direkt auf die Sicherheit des Vaterlandes und seiner Bürger abzielt", schrieb Tusk auf X. Dummheit und bestimmte politische Ansichten könnten nicht als "mildernde Umstände" für diese Handlungen gelten.
Im Internet kursiert etwa die Behauptung, dass die Ukraine das EU- und NATO-Mitglied Polen in den Krieg mit Russland hineinziehen wolle und daher selbst die Drohnen ins Nachbarland geschickt habe. Auch die Behauptung, Polen stehe den Drohnen vollkommen hilflos gegenüber, sei russische Propaganda und diene der Panikmache, heißt es von Seiten des polnischen Digitalisierungsministeriums.
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