Tauziehen um russischen Hilfskonvoi

Ein Mann telefoniert vor einer langen Reihe parkender Lastwagen.
Kiew will die russischen Hilfslieferungen "unter Bedingungen" ins Land lassen - laut UN sind im Konflikt bereits mehr als 2.000 Menschen gestorben.

Der umstrittene Hilfskonvoi für die krisengeschüttelte Ostukraine nach russischen Angaben sein Nachtlager in Woronesch verlassen und fährt zur Grenze. Die rund 280 Lastwagen hätten sich am Morgen in Bewegung gesetzt, meldete die Staatsagentur Ria Nowosti am Mittwoch. Nahe der Stadt Belgorod an der Grenze sollten die Güter an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz übergeben werden.

Ein Konvoi von Lastwagen wird von Polizeiautos mit Blaulicht begleitet; eine rote Flagge weht im Wind.
A Russian convoy of trucks carrying humanitarian aid for Ukraine, behind a police escort, stops along a road near the city of Yelets August 12, 2014. The convoy carrying tonnes of humanitarian aid left on Tuesday for eastern Ukraine, where government forces are closing in on pro-Russian rebels, but Kiev said it would not allow the vehicles to cross onto its territory. Ukrainian presidential aide Valery Chaly told journalists the cargo will be reloaded onto other transport vehicles at the border by the Red Cross. Russia said it would transfer the convoy to the aegis of the International Committee of the Red Cross, but made no reference to the demand the goods be reloaded. The European Union said the aid would have to be verified. REUTERS/Maxim Shemetov (RUSSIA - Tags: POLITICS CIVIL UNREST CONFLICT)

Streit gibt es um die Details. Die Ukraine verlangte zuletzt ein Umpacken der rund 2.000 Tonnen Hilfsgüter auf "neutrale" Fahrzeuge. Russland kritisierte dies als "Hinhaltetaktik". Am späten Nachmittag hieß es dann seitens der ukrainischen Präsidentschaft, dass man den Hilfskonvoi nun doch unter bestimmten Bedingungen annehmen. Voraussetzung sei, dass der Konvoi für Lugansk (Luhansk) die Grenze an einem Übergang nahe der Stadt überquere und von ukrainischen Grenzwächtern kontrolliert werde, sagte ein Sprecher des Präsidialamts am Mittwoch. Zudem müsse die Hilfe in Lugansk vom Roten Kreuz verteilt werden.

Der Konvoi in Bildern

Mehrere Fahrzeuge, darunter Lastwagen, fahren auf einer Straße im Gegenlicht.

A Russian convoy of trucks carrying humanitarian a
Eine Reihe weißer Lastwagen steht am Straßenrand, drei Männer unterhalten sich.

Drivers of a Russian convoy of trucks carrying hum
Ein Konvoi von Lastwagen steht auf einer Straße, begleitet von einem Polizeiauto.

A Russian convoy of trucks carrying humanitarian a
Mehrere Lastwagen mit roten Flaggen fahren auf einer Straße.

Still image taken from video shows a Russian convo

Misstrauen

Der Konvoi aus rund 280 weiß lackierten Lastwagen weckt erhebliches Misstrauen der prowestlichen Regierung in Kiew. Sie fürchtet, dass Moskau unter dem Deckmantel einer Hilfsaktion Waffen für prorussische Separatisten einschmuggeln könnte. Laut Moskauer Regierung besteht der Transport aus Hilfsgütern für Lugansk.

In Lugansk sind etwa 250.000 Einwohner seit elf Tagen ohne Versorgung. Das Außenministerium in Moskau spricht von insgesamt fast 2.000 Tonnen Hilfsgütern, die sich wie folgt aufteilen: 30 Tonnen Salz, 340 Tonnen Fleischkonserven, 100 Tonnen Zucker, 60 Tonnen Milchkonserven, 800 Kilogramm Tee, 679,5 Tonnen in Flaschen abgefülltes Wasser, 62,4 Tonnen Babynahrung, 400 Tonnen Grütze, 54 Tonnen medizinische Hilfsgüter sowie 12.300 Schlafsäcke und 69 Stromgeneratoren.

2000 Tote

Im Ukraine-Konflikt sind nach Schätzungen der Vereinten Nationen mehr als 2.000 Menschen getötet worden. Allein in den vergangenen zwei Wochen habe sich die Zahl der Toten fast verdoppelt, sagte eine UN-Sprecherin am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters in Genf.

Seit Beginn des Konflikts im Osten der Ukraine Mitte April seien im Durchschnitt mehr als 60 Menschen pro Tag getötet oder verletzt worden. Bisher werde von rund 5.000 Verletzten ausgegangen. Die Zahlen beinhalteten zivile Opfer sowie Tote und Verletzte der ukrainischen Regierungstruppen sowie der bewaffneten Gruppen.

Russischer Botschafter ins Außenamt zitiert

Nach den Äußerungen des russischen Politikers Wladimir Schirinowski, Polen und die baltischen Staaten würden im Fall eines Krieges zwischen dem Westen und Russland um die Ukraine "vom Erdboden verschwinden", ist der russische Botschafter in Warschau ins Außenministerium zitiert worden.

Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski sagte am Dienstagabend im Fernsehsender Polsat, Polen habe gegen die "skandalösen Worte" Schirinowskis in einem russischen Fernsehsender am Vortag protestiert und angefragt, wie die Haltung der Regierung in Moskau dazu sei. "Schirinowski ist ein Vertreter der Opposition, aber er ist kein Hinterbänkler oder eine Privatperson", sagte Sikorski über den Vizevorsitzenden der russischen Duma und Chef der nationalistischen Liberalen Demokraten.

Österreich könnte vermitteln

Nur Finnland oder Österreich könnten erfolgreich in der Ukraine-Krise vermitteln. Diese Ansicht vertritt der an der britischen Eliteuniversität London School of Economics (LSE) lehrende Professor für internationale Geschichte, Vladislav Zubov.

Eine lächelnde Frau mit Brille und einer bunten Halskette.
APA4672658-2 - 20072011 - WIEN - ÖSTERREICH: Nationalratsabgeordnete Christine Muttonen (SPÖ) am Donnerstag, 07. Juli 2011, im Rahmen eines Fototermins mit der Austria Presse Agentur (APA) im Parlament in Wien. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
Zubov sagte in einem am Mittwoch in der finnischen TageszeitungAamulehtierschienenen Interview, "die einzige Möglichkeit, die Situation zu lösen ist eine neutrale, internationale Vermittlung unter der Leitung Finnlands oder möglicherweise Österreichs". Nur so könnten die Präsidenten der beiden Konfliktländer Russland und Ukraine, Wladimir Putin und Petro Poroschenko dazu gebracht werden, sich an den Verhandlungstisch zu setzen.

Der Präsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, der Finne Ilkka Kanerva, sagte gegenüber Aamulehti, Finnland sei seiner Meinung nach zwar für internationale Vermittlungsmissionen ein geeignetes Land, die Initiative dafür müsse aber von anderer Seite kommen. Bisher sei seines Wissens nach jedoch niemand diesbezüglich an Finnland oder an das Büro von Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari herangetreten.

Eine der Stellvertreterinnen von Kanerva in der Parlamentarischen Versammlung der OSZE ist die SPÖ-Politikerin und langjährige Nationalratsabgeordnete Christine Muttonen.

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