Vier Tote bei Raketenangriff auf Wohngebiet in Lwiw
Bei einem Raketenangriff auf ein Wohngebiet der westukrainischen Stadt Lwiw (Lemberg) sind in der Nacht auf Donnerstag nach Angaben des Innenministeriums vier Menschen getötet worden. Mindestens 32 Menschen seien verletzt worden, teilte das Ministerium via Telegram mit.
Eine Such- und Rettungsaktion sei im Gang. Mehr als 60 Menschen wurden den Angaben zufolge aus den zerstörten Häusern evakuiert. Sieben Personen seien aus den Trümmern gerettet worden.
Selenskij kündigt "Antwort an Feind" an
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij kündigte an, dass es "definitiv eine Antwort auf den Feind" geben werde. "Eine spürbare", schrieb er auf Telegram. Auf Videos sind stark beschädigte und teilweise fast ganz zerstörte Wohnhäuser eines ganzen Straßenzugs zu sehen. Selenskij schrieb dazu: "Folgen des nächtlichen Angriffs durch russische Terroristen."
Der Bürgermeister von Lwiw, Andrij Sadowyj, sprach von dem schwersten Angriff auf die zivile Infrastruktur von Lwiw seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine vor mehr als 16 Monaten. Mehr als 50 Häuser seien zerstört worden.
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Russland habe Lwiw mit Marschflugkörpern des Typs "Kalibr" angegriffen, die vom Schwarzen Meer aus abgeschossen worden seien, hieß es bei der ukrainischen Luftwaffe. Sieben von zehn russischen Raketen habe die Flugabwehr zerstören können.
Viele Geflüchtete sind in Lwiw untergekommen
In Lwiw halten sich auch viele Geflüchtete aus den umkämpften Gebieten im Osten der Ukraine auf. Bis Juni war es in der Stadt im Westen des Landes längere Zeit relativ ruhig geblieben. Dann aber wurde sie wieder Ziel von Luftangriffen. Die Ukraine hatte Anfang Juni eine Gegenoffensive begonnen.
Nach Angaben des Bürgermeisters vom Juni hat Lwiw seit Beginn der russischen Invasion rund 150.000 Menschen aus anderen Teilen des Landes aufgenommen. Die Stadt mit ursprünglich 720.000 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt rund 70 Kilometer östlich der Grenze zu Polen.
Selenskij drängt weiter auf Nato-Aufnahme
Selenskij hat am Mittwoch in seiner täglichen Videoansprache den anstehenden Nato-Gipfel im litauischen Vilnius als entscheidend für die künftige Sicherheit Europas bezeichnet. "Noch eine Woche bis zu einem Schlüsselmoment für unsere gemeinsame Sicherheit in Europa", sagte er. Kiew dringt seit Monaten darauf, dass die Militärallianz das von Russland angegriffene Land aufnimmt.
"Wir arbeiten so weit wie möglich mit unseren Partnern zusammen, damit unsere gemeinsame Sicherheit in Vilnius gewinnt", sagte Selenskij. Es hänge aber alles von den Partnern ab, sagte er mit Blick auf eine Aufnahme seines Landes ins Bündnis. Erst am Dienstag hatte Selenskij auch noch einmal mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg telefoniert, dessen Amtszeit gerade verlängert wurde.
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Zumindest teilweise wird Kiew Entgegenkommen signalisiert: Vor dem Nato-Gipfel nächste Woche plädiert der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des deutschen Bundestags, Michael Roth, dafür, die vertraglichen Grundlagen für eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine etwas weiter auszulegen. "Das heißt, ich würde einen perfekten Frieden nicht zur Bedingung einer Aufnahme machen", sagte der SPD-Politiker der Wochenzeitung Die Zeit.
Selenskij hatte sich früheren Start der Gegenoffensive gewünscht
Selenskij sagte indes gegenüber CNN, dass er sich einen "sehr viel früheren" Beginn der Gegenoffensive in seinem Land gewünscht hätte.
Selenskij betonte, dass er den USA und den europäischen Partnern gesagt habe, "dass wir unsere Gegenoffensive gerne früher starten wollen und dass wir all die Waffen und das Material dafür brauchen". Selenskij betonte die Bedeutung von Raketen größerer Reichweite vom Typ ATACMS, um die die Ukraine die USA bittet und mit denen sie russische Ziele weit hinter der Frontlinie angreifen könnte.
Die Raketen würden der Ukraine helfen, schneller voranzukommen, sagte Selenskij. Er wies auch auf Engpässe bei der Ausrüstung seiner Truppen mit Artillerie hin. "In einigen Richtungen können wir nicht einmal daran denken, damit (mit der Gegenoffensive) zu beginnen, weil wir nicht über die entsprechenden Waffen verfügen", sagte er.
Selenskij: "Wir können uns die Ukraine nicht ohne die Krim vorstellen"
Der Präsident des angegriffenen Landes verdeutlichte einmal mehr, was eine Rückeroberung der 2014 von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim für die Ukraine bedeuten würde. "Wir können uns die Ukraine nicht ohne die Krim vorstellen", sagte Selenskij. "Und solange die Krim unter russischer Besatzung ist, bedeutet es nur eins: Der Krieg ist noch nicht vorbei."
IAEA-Chef Grossi fordert erweiterten Zugang zum Atomkraftwerk Saporischschja
Indes fordert die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) erweiterten Zugang zum russisch besetzten ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja. Es sei nötig, die "Abwesenheit von Minen oder Sprengstoff" auf dem Gebiet zu bestätigen, erklärte IAEA-Chef Rafael Grossi am Mittwoch. Zuvor hatten Russland und die Ukraine einander Pläne zum Angriff auf das größte AKW Europas vorgeworfen.
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