Trumps vernichtender Friedensplan: Wo die Ukraine einknicken könnte
Trump und Selenskij
US-Außenminister Marco Rubio war geradezu euphorisch, als er am Sonntag in Genf nach nur ein paar Stunden Bilanz zog. „Bedeutende Fortschritte“ hätten er mit den Vertretern Europas und der Ukraine gemacht, sagte er, jetzt seien Donald Trump und sein ukrainisches Gegenüber Wolodimir Selenskij am Zug.
Über Konkretes sprach Rubio aber nicht. Das mag daran liegen, dass in der Schweiz nicht die oberste politische Ebene verhandelte; aus Kiew war Selenskijs rechte Hand Andrij Jermak angereist, aus Europa nur Beamte dabei. Dazu kommt, dass auch in den USA über das Papier gestritten wird: Rubio selbst soll unglücklich über die Zugeständnisse für Putin gewesen sein, sein Präsident hingegen platzte in die Gespräche mit deinem Posting, in dem er Kiew wieder zu wenig Dankbarkeit für seine Hilfe vorwarf. Selenskij sprach er dabei auch gleich jegliche Führungsqualitäten ab.
Bis Donnerstag will Trump Selenskijs Unterschrift sehen, sonst endet jede Kooperation. Wo könnte Kiew nachgeben? Und was wäre selbstmörderisch für den ukrainischen Staatschef?
Wäre die Ukraine tatsächlich bereit, den Donbass aufzugeben?
Das ist die Gretchenfrage. Der Kampf um die Region ist genauso wie um die Krim emotional höchst aufgeladen. Zehntausende ukrainische Soldaten und ungezählte Zivilisten haben dort in den vergangenen elf Jahren ihr Leben gelassen; mehr als die Hälfte der Ukrainer würden eine Abtretung als Verrat sehen, sagen Umfragen. Der Schritt würde die Ukraine zudem innenpolitisch massiv destabilisieren – was aber im Interesse des Kreml wäre. Dazu kommt, dass im ukrainischen Teil des Donbass nach wie vor von 250.000 Menschen wohnen, sie müssten abgesiedelt und kompensiert werden.
Hoch problematisch wäre eine Abtretung aber vor allem militärisch. Seit 2014 hat Kiew in der Region einen etwa 50 Kilometer langen Festungsgürtel errichtet, der die Russen bis heute abhielt. Putin würde mit der Eroberung also jene Landmasse erhalten, an deren Eroberung er seit 2014 scheitert; aus ihr sollte eine „demilitarisierte Pufferzone“ werden. Bei einem neuerlichen Angriff wären die dahinter liegende Großstadt Dnipro völlig ungeschützt.
Selenskij kann also kaum uneingeschränkt Ja zur Abtretung des Donbass sagen. Sein Parlament, das einen Friedensschluss auch absegnen muss, hat ihm da bereits eine rote Linie aufgezeigt: Eine formale Anerkennung der besetzten Gebiete komme nicht infrage, hieß es am Montag.
Möglich scheint hingegen eine De-facto-Anerkennung ohne juristische Basis, ein Modell wie einst beim geteilten Deutschland: Die BRD hat die DDR nie als souveränen Staat anerkannt, aber dennoch Beziehungen zu ihr unterhalten. Das hat die Wiedervereinigung 1991 vereinfacht.
Wird Kiew die Aussicht auf eine NATO-Mitgliedschaft aufgeben?
Das ist ein Punkt, der leichter zu lösen ist. Eine NATO-Mitgliedschaft war auch bisher nicht wirklich greifbar für die Ukraine; selbst Joe Biden, der sich als Unterstützer Kiews gab, wollte letztlich keinen instabilen Staat in seinem Club. Donald Trump ist in seiner Ablehnung nur klarer.
Auch die Europäer waren stets skeptisch, aber hinter vorgehaltener Hand. In ihrem Gegenvorschlag steht darum nun auch eine abgeschwächte Version des Verzichts auf die NATO-Mitgliedschaft: „Der NATO-Beitritt der Ukraine hängt vom Konsens der NATO-Mitglieder ab, der nicht besteht“, ist da zu lesen. Das heißt: So lange die USA auf der Bremse stehen, wird es mit der NATO ohnehin nichts. Darauf könnte sich auch Selenskij ohne Reue einlassen.
Wäre die Ukraine bereit, ihre Streitkräfte auf 600.000 aktive Soldaten zu limitieren?
Das ist die zweite Frage, die gemeinsam mit US-Sicherheitsgarantien im Fall eines neuerlichen Angriffs entscheidend wäre. Eine Obergrenze von 600.000 wäre eine Reduktion um ein Drittel, das ist zwar im Vergleich mit europäischen Streitkräften zwar noch immer eindruckvoll (Italien hat mit 228.000 Aktiven die größte Armee der EU). Für eine Verteidigung gegen Russland wären 600.000 Soldaten aber viel zu wenig, ohne ein direktes Eingreifen westlicher Armeen wäre das Land hilflos.
Doch dass die USA mit eigenen Truppen helfen würden, ist im Entwurf nicht vorgesehen, im Gegenteil. Die Rede ist nur schwammig von „zuverlässigen Sicherheitsgarantien“, das kann theoretisch auch nur finanzielle Hilfe bei einem Angriff sein. Dazu kommt, dass für Moskau keine Limitierung vorgesehen ist – derzeit soll Putin 1,3 Millionen Mann unter Waffen haben, zwei Millionen sind in Reserve.
Europa hat deshalb vorgeschlagen, die Garantien um den Satz „ähnlich der NATO-Artikel-5-Klausel“ zu erweitern, das wäre eine klassische Beistandspflicht. Den Deckel will Europa bei 800.000 einziehen, das wäre auch für Kiew akzeptabel. Und die Forderung im Plan, dass künftig keine NATO-Truppen in der Ukraine stationiert werden sollen, umschifft man durch die Formulierung „keine dauerhafte Stationierung“ – damit wäre eine Rotation möglich.
Der Teil des Donbass, den Kiew abgeben soll, ist nicht entvölkert: 250.000 Menschen leben dort noch.
Kann Kiew Trumps Aufbauplan akzeptieren, der nur die Europäer zahlen lässt?
Jein. Der Plan sieht bekanntlich vor, dass die in den USA eingefrorenen russischen Staatsgelder – etwa 100 Milliarden Dollar – zum Wiederaufbau in die Ukraine fließen, die in Europa einbehaltenen 220 Milliarden aber zurück nach Moskau gehen sollen. Brüssel müsste den Wiederaufbau aus der eigenen Tasche finanzieren.
Das kann die EU eigentlich nicht akzeptieren – andererseits können sich die EU-Staaten seit Kriegsbeginn auch nicht darauf einigen, Putins konfisziertes Geld an Kiew zu schicken. Neben Belgien, das aus Angst um den eigenen Finanzplatz offen opponiert, gibt es auch einige EU-Staaten, die inoffiziell bremsen – aus Furcht vor Russlands Vergeltung.
Das Problem ist die Zeit, die drängt. Die Ukraine muss demnächst Milliardenkredite an den IWF zurückzahlen, das kann sie ohne westliche Finanzspritze nicht. Experten halten sogar einen Staatsbankrott im Frühjahr für denkbar, wenn nicht bald sehr viel Geld fließt.
Insofern würde sich Kiew wohl in puncto Geld auf jeden noch so schiefen Deal einlassen. Allerdings: Zustande käme auch der erst, wenn alle Beteiligten sich einigen – und das letzte Wort bei all dem hat noch immer Putin.
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