Tumulte in Israels Parlament
Zwei Monate nach seinem Wahlsieg hat Israels konservativer Ministerpräsident Benjamin Netanyahu seine neue Regierung vorgestellt. Vor der Vereidigung stimmten am Donnerstag 61 von 120 Parlamentsabgeordneten in einem Vertrauensvotum für die neue rechts-religiöse Koalition. 59 Abgeordnete der Knesset votierten gegen Netanyahus Regierung.
Die Zahl der Ja-Stimmen entsprach damit genau der Anzahl der Abgeordneten von Netanyahus Koalition. Unter lauten Zwischenrufen der Opposition verlas der Likud-Chef, der seine vierte Amtszeit antritt, die Namen seiner Minister. Mehrere Abgeordnete wurden während der tumultartigen Sitzung, die mit zweistündiger Verspätung begonnen hatte, von Ordnern aus dem Saal geführt.
Herzog: Regierungsbündnis ein "Zirkus"
Netanyahu sprach sich angesichts der politischen Instabilität in Israel für eine Änderung des Wahlsystems aus. Er rief Oppositionsführer Isaac (Yitzhak) Herzog vom Mitte-Links-Bündnis dazu auf, sich seiner Koalition anzuschließen. Herzog griff Netanyahu jedoch scharf an und verglich dessen Regierungsbündnis mit einem "Zirkus". Einen Eintritt in die Koalition schloss er aus.
Netanyahus aus fünf Parteien bestehende rechts-religiöse Regierung hat eine hauchdünne Mehrheit von 61 der 120 Sitze. Die neue Koalition gilt als fragil, weil sie bei Misstrauensvoten auf die Loyalität jedes einzelnen Abgeordneten des Regierungslagers angewiesen ist. Die 34. israelische Regierung rückte zudem deutlich nach rechts gegenüber der Mitte-Rechts-Koalition, die im Dezember nach nur 20 Monaten zerbrochen war.
Netanyahu behält das Außenministerium zunächst selbst. Neuer Innenminister und Vize-Ministerpräsident ist Silvan Shalom (Likud), Moshe Yaalon (Likud) bleibt Verteidigungsminister. Yoav Gallant von der Mitte-Rechts-Partei Kulanu ist Bauminister, Kulanu-Chef Moshe Kahlon Finanzminister. Naftali Bennett von der Siedlerpartei ist Bildungsminister, seine Parteikollegin Ayelet Shaked Justizministerin. Aryeh Deri von der strengreligiösen Shas ist Wirtschaftsminister.
"Jüdisches Heim": einflussreich
Obwohl Netanyahus konservativer Likud bei der vorgezogenen Parlamentswahl Mitte März überraschend deutlich mit 30 Mandaten als Siegerabschnitt, gestaltete sich sein Ziel, eine Regierung ausschließlich aus Parteien des rechten Lagers und der ultraorthodoxen Juden zu bilden, als schwierig. Der um seinen Amtsverbleib kämpfende Ministerpräsident musste am Ende seiner auf sechs Wochen begrenzten Frist zur Regierungsbildung viele Zugeständnisse machen, auch bei der Vergabe von Schlüsselministerien an die Koalitionspartner.
An Einfluss gewann dabei insbesondere die nationalreligiöse Partei "Jüdisches Heim", die einen Palästinenserstaat an der Seite Israels grundsätzlich ablehnt und vor allem die Interessen der israelischen Siedler im besetzten Westjordanland verficht. Diese Entwicklung dürfte die stark angespannten Beziehungen zur Palästinenserführung in Ramallah weiter verschlechtern und auch die Beziehungen Israels zu den westlichen Verbündeten weiter belasten.
Zwei-Staaten-Lösung kein Ziel
Die vage gehaltenen Leitlinien des neuen Regierungsprogramms zielen vor allem auf die Senkung der hohen Lebenshaltungskosten im Land und auf verstärkten Wettbewerb in der Binnenwirtschaft ab. Das Bemühen um eine Zwei-Staaten-Lösung ist dort nicht als Ziel angegeben. Zum Dauerkonflikt im Nahen Osten heißt es im Regierungsprogramm lediglich, die Regierung werde "danach streben, ein Friedensabkommen mit den Palästinensern und allen unseren Nachbarn zu erreichen, wobei Israels Sicherheit und seine historischen und nationalen Interessen aufrechterhalten werden".
Die Bestätigung und Vereidigung des neuen Kabinetts in der Knesset musste am Donnerstag kurzfristig auf den späteren Abend verschoben werden, weil sich in der Likud-Fraktion das Gerangel um einflussreiche Posten hinzog. Am Mittwoch hatte die neue Koalition einen ersten Belastungstest überstanden, indem sie mit der nötigen Mehrheit von 61 Stimmen ein Gesetz außer Kraft setzte, das die Zahl der Regierungsmitglieder beschränkte. Danach verhandelte Netanyahu rund um die Uhr mit den zahlreichen Fraktionsmitgliedern, die Ansprüche auf Ministerposten oder Ausschussvorsitze geltend machten.
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