Türkisches Verfassungsgericht gab "Welt"-Journalist Yücel Recht

Türkisches Verfassungsgericht gab "Welt"-Journalist Yücel Recht
Der deutsch-türkische Journalist saß von Februar 2017 bis Februar 2018 ohne Anklageschrift in türkischer Untersuchungshaft.

Etwas mehr als ein Jahr saß Deniz Yücel in türkischer Untersuchungshaft. Der deutsch-türkische Korrespondent der „Welt“ wurde im Februar 2018 nach langem Tauziehen zwischen Ankara und Berlin freigelassen – er konnte schließlich ausreisen.

Nun gab das türkische Verfassungsgericht dem 46-Jährigen Recht, dass seine Untersuchungshaft rechtswidrig war. Für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist das die nächste Niederlage nach dem Sieg der Opposition bei der Bürgermeisterwahl in Istanbul. Yücel wurden zudem 25.000 türkische Lira Schadenersatz zugesprochen, das sind rund 3.800 Euro. Eine separate Schadenersatzklage läuft allerdings noch.

Die türkischen Verfassungsrichter betonten, mit der Haft ohne Anklage sei das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit sowie das Recht auf Meinungsfreiheit verletzt worden. Von knapp 13 Monaten U-Haft hatte der Journalist neun Monate in Isolationshaft verbracht, am Beginn seiner Haft sei er eigenen Angaben nach misshandelt worden. Er war ohne Anklage in Untersuchungshaft gewesen.

Erst nach seiner Freilassung und Ausreise nach Deutschland wurde eine Anklage wegen Terrorpropaganda und Volksverhetzung erhoben. Am 16. Juli beginnt sein Prozess in Ankara. Die Staatsanwaltschaft fordert 17 Jahre Haft.

Nun beanstandeten die türkischen Verfassungsrichter, dass sowohl im Hafturteil gegen Yücel als auch in der nach einem Jahr vorgelegten und mit dem Hafturteil weitgehend identischen Anklageschrift zahlreiche Aussagen in Yücels Welt-Artikeln fehlerhaft ins Türkische übersetzt worden seien. Zum Interview mit dem kurdischen PKK-Anführer Cemil Bayik, das Yücel im August 2015 geführt hatte und das später immer wieder gegen Yücel vorgebracht wurde, stellten die Verfassungsrichter laut "Welt" fest: "Einen Journalisten wegen Aussagen zu verfolgen oder zu bestrafen, die eine andere Person in einem Interview gemacht hat, würde den Beitrag, den Medien zur Diskussion öffentlich relevanter Themen leisten können, erheblich beeinträchtigen."

Das türkische Verfassungsgericht, das Deniz Yücel am Freitag Recht gegeben hat, gilt als letzte Instanz, die zumindest in manchen Fällen nicht der Linie der Regierung Recep Tayyip Erdogans folgt. Etwa hat es die vorzeitige Freilassung des früheren „Cumhuriyet“-Chefredakteurs Can Dündar erwirkt, der schließlich nach Deutschland floh.

Kommentare