Türkei geht gegen PKK vor - Waffenruhe rückt in die Ferne
Gegen wen kämpft Recep Tayyip Erdogan? Das fragen sich zurzeit viele in der Türkei. Das Land am Bosporus steckt in einem erbitterten Kampf gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans PKK und auch gegen den "Islamischen Staat". Die Kritiker des türkischen Staatschefs werfen ihm aber lauthals vor, durch die Eskalation der Konflikte vorgezogene Neuwahlen herbeiführen zu wollen, um die absolute Mehrheit für seine AKP zurückzugewinnen - und gleichzeitig die ungeliebte PKK zu beseitigen. Dafür, so der Vorwurf, gefährde er sogar die internationalen Anstrengungen gegen die Schlächtermiliz IS. Diese Kritik prallt an der Regierung in Ankara ab.
Nach der Anschlagsserie auf Sicherheitskräfte vom Montag wurden die Angriffe auf PKK-Ziele ausgeweitet. In der südöstlichen Provinz Hakkari seien 17 Stellungen der kurdischen Rebellen von der Luftwaffe getroffen worden, teilte das Militär am Dienstag mit.
Am Tag zuvor waren bei einer Reihe von Angriffen auf türkische Sicherheitskräfte mindestens neun Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt worden. Dabei kam es auch zu Gewalttaten im kurdischen Südosten des Landes. Auch am Dienstag griffen PKK-Kämpfer nach Angaben aus Sicherheitskreisen dort eine Armeebasis an.
Erster PKK-Anschlag in Istanbul
Zu dem Anschlag in Istanbul auf die Polizeiwache im Stadtteil Sultanbeyli hat sich die PKK inzwischen bekannt. Die Tat sei von einem dreiköpfigen „Opfer-Team“ ausgeführt worden, teilte der bewaffnete Arm der PKK laut einer Meldung der pro-kurdischen Nachrichtenagentur ANF vom Dienstag mit. Es war der erste PKK-Anschlag in Istanbul seit der Eskalation der Gewalt im vergangenen Monat.
Damit scheint die Rückkehr zum Friedensprozess in weite Ferne gerückt - auch wenn die PKK am Dienstag Bedingungen für ein Ende der neu aufgeflammten Gewalt stellte. Die Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK), eine politische Organisation der PKK, fordert eine unabhängige Überwachung einer neuen Waffenruhe, wie türkische Medien am Dienstag unter Berufung auf eine KCK-Erklärung meldeten. Zudem müssten alle in den vergangenen zwei Jahren inhaftierten politischen Gefangenen freigelassen werden - Forderungen, die bei Erdogan wahrscheinlich nur ein müdes Lächeln hervorrufen werden.
Die Koalitionssuche in der Türkei gestaltet sich weiter zäh. Nach Sondierungsgesprächen haben sich Vertreter der Regierungspartei AKP und der säkulären Oppositionspartei CHP vorsichtig optimistisch über die mögliche Bildung einer Regierungskoalition geäußert. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu von der AKP und CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu trafen sich am Montag zu einem ersten Gespräch in Ankara, das etwa vier Stunden dauerte.
Kulturminister Ömer Celik und CHP-Vize Haluk Koc, die ebenfalls teilnahmen, erklärten anschließend, beide Seiten bemühten sich um einen „Konsens“. Sie würden sich diese Woche erneut treffen, um eine endgültige Entscheidung über die Bildung einer Koalition zu fällen. „Wir versuchen, die beste Formel für die Türkei zu finden“, sagte Celik vor Reportern. „Damit zwei Parteien, die politisch gegensätzlich sind, einen Konsens erzielen, sind große Anstrengungen nötig“, fügte der AKP-Politiker hinzu.
Davutoglu hat bis zum 23. August Zeit, eine Regierungskoalition auf die Beine zu stellen. Danach kann Staatschef Erdogan Neuwahlen ansetzen. Bei der
Parlamentswahl am 7. Juni hatte die AKP ihre absolute Mehrheit nach mehr als einem Jahrzehnt verloren. Damit ist sie erstmals seit ihrer Regierungsübernahme im Jahr 2002 auf einen Koalitionspartner angewiesen.
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