Norwegens Regierung zerbricht an IS-Rückkehrerin
Eine IS-Rückkehrerin mit zwei Kindern brachte Norwegens Regierungskoalition am Montag zum Scheitern. „Insgesamt gibt es für die Fortschrittspartei keine Grundlage mehr, um die Regierungskoalition fortzusetzen“, sagte Siv Jensen, Chefin der rechtspopulistischen Partei in Oslo.
Die Regierungschefin und Vorsitzende der Konservativen, Erna Solberg, kündigte an, die Regierung mit den kleineren Partnern, der „Christlichen Volkspartei“ und der sozialliberalen „Venstre“, als noch kleinere Minderheitsregierung weiterführen zu wollen und bat die Fortschrittspartei um weitere Zusammenarbeit im Parlament.
Solberg setzte die Heimholung einer 29-Jährigen mit pakistanischen Wurzeln und norwegischer Staatsangehörigkeit samt ihrer Kinder aus einem Lager in Syrien durch, da eines der Kinder krank sein soll. Nach norwegischem Recht hätten allein die Kindern das Recht auf Rückreise gehabt. Die Witwe, die mit einem IS-Kämpfer verheiratet war und Norwegen 2013 verlassen hatte, wollte die Kinder jedoch nicht allein reisen lassen. Der zweifachen Mutter, die vergangenen Samstag in Oslo eintraf, wird Mitgliedschaft in den Terror-Organisationen „Islamischer Staat“ sowie „al-Nusra-Front“, einem El-Kaida-Ableger, vorgeworfen.
Als die Bewilligung Anfang der Vorwoche bekannt wurde, gingen vor allem die regionalen Kader der Fortschrittspartei auf die Barrikaden, da sie sich auch von der eigenen Partei hintergangen fühlten. Denn deren Minister wussten von dem Beschluss der Regierung schon seit Oktober und hatten dies nicht mitgeteilt.
Solberg betonte vergangene Woche, man habe das Dilemma „moralisch korrekt“ gelöst. Vertreter der Fortschrittspartei warfen ihr jetzt vor, man würde das Sicherheitsbedürfnis der Norweger nicht ernst nehmen.
"Genug ist genug"
Die Partei steht für eine Eindämmung der Einwanderung und für eine härtere Gangart gegenüber kriminellen Migranten sowie gegen Islamisten. Dem „Genug-ist-Genug“-Tenor vieler Parteimitglieder gab Jensen, die als Finanzministerin wirkte, am Freitag nach und überreichte Solberg einen Forderungskatalog. Doch nachdem am Wochenende neun prominente Abgeordnete der Partei Druck gemacht hatten, erklärte Jensen den Rücktritt. In dem konsensbewussten Land ist es das erste Mal, dass eine Partei aus einer Koalition ausschert.
Umfrage-Tief
Die zweite Regierung Solberg wurde Anfang 2018 gebildet. Die einwanderungsskeptische Fortschrittspartei unter der robust auftretenden Siv Jensen war insgesamt sechs Jahre an der Regierung beteiligt. Doch die Kompromisse, die in der Koalition mit den kleineren Christdemokraten und den Sozialliberalen geschlossen werden mussten, nagten an ihrem Profil.
Erhielt sie 2017 noch knapp 16 Prozent der Stimmen, lag sie in letzten Umfragen bei nur elf Prozent. Dies soll sich nun ändern. Die 50-jährige Jensen kündigte an, eine „härtere und deutlich akzentuiertere Politik“ betreiben zu wollen. Gleichzeitig akzeptiere ihre Partei Solberg weiterhin als Regierungschefin.
Salonfähige Rechte
Die Fortschrittspartei hat wirtschaftsliberale Wurzeln und war als Opposition zum norwegischen Wohlfahrtsstaat gegründet worden, brachte jedoch seit den Achtzigerjahren auch ausländerfeindliche Töne zum Ausdruck. Im Jahre 2011 geriet sie in Verruf, da der Rechtsextreme Anders Breivik, der Attentäter, der in Oslo und auf der Insel Utøya 77 Menschen ermordete, eine Zeit lang Mitglied der Fortschrittspartei war. Darauf mäßigte Jensen ihren Ton – und wurde salonfähig.
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