Snowden darf in Russland bleiben
Russland hat dem früheren US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden eine Aufenthaltsgenehmigung für drei Jahre erteilt. Das gab Snowdens Anwalt Anatoli Kutscherena am Donnerstag in Moskau bekannt. Snowden hatte vor gut einem Jahr vertrauliche Dokumente über die ausufernde Überwachungspraxis des US-Geheimdienstes NSA an Journalisten übergeben - als erstes an Glenn Greenwald, damals beim Guardian. Die USA suchen den Whistleblower mit Haftbefehl, weshalb er nach Wochen am Moskauer Flughafen schließlich Asyl in Russland fand. Dort war sein Asyl kürzlich formell abgelaufen; Snowden hatte daraufhin im Juli eine Verlängerung beantragt. Die nun erteilte Aufenthaltsgenehmigung erlaubt ihm, sich frei im Land zu bewegen und auch ins Ausland zu reisen.
Greenwald kündigte unterdessen weitere Enthüllungen von Geheimdienstinformationen aus dem Umfeld der NSA an. "Es werden noch einige große Geschichte kommen", sagte er und machte bald seine Ankündigung wahr. Greenwald betreibt die Enthüllungsplattform "The Intercept", die erst diese Woche neue Berichte über Datenbanken von US-Behörden veröffentlichte (siehe unten).
Snowdens Enthüllungen
Die Enthüllungen über die Geheimdienst-Praxis, alle möglichen Daten abzufischen, setzten sich auch nach Snowdens Flucht kontinuierlich fort. Die wichtigsten Erkenntnisse seit Auffliegen des NSA-Skandals:
Internet-Überwachung: Die NSA kann auf verschiedene Weise Informationen aus dem Internet abgreifen. Mithilfe des britischen Partnerdienstes GCHQ werden Daten direkt aus Glasfaser-Kabeln abgefischt. Agenten sollen sich auch in den Datenverkehr zwischen den Rechenzentren von Google und Yahoo eingeklinkt haben. Nach dem US-Auslandsspionagegesetz kann die NSA Zugang zu Nutzerdaten bei Internet-Konzernen beantragen. Dieses Programm heißt Prism.
Untergraben von Verschlüsselung: Wenn Daten verschlüsselt durchs Netz geschickt werden, können Geheimdienste nicht einfach so mitlesen. Doch NSA und GCHQ können Medienberichten zufolge mehrere gängige Verschlüsselungstechniken knacken oder aushebeln, darunter die oft eingesetzte SSL-Technologie. Außerdem seien Schwachstellen in Verschlüsselungsverfahren eingeschleust worden.
Beobachtung von Tor-Nutzern: Das Anonymisierungsnetzwerk Tor erlaubt Internet-Nutzern, ihre Spuren zu verschleiern. Der Geheimdienst sammle die Aufrufe von einigen zentralen Computern im Tor-Netzwerk, berichteten NDR und WDR. So könne der Geheimdienst herausfinden, von welchen Rechnern sich Menschen einwählen.
Bewegungen im Visier: Die NSA speichert laut Washington Post Ortungsdaten von mehreren Hundert Millionen Handys. Rund fünf Milliarden Datensätze kämen jeden Tag zusammen. Daraus lassen sich zum Beispiel Kontakte zwischen Menschen ablesen, wenn ihre Telefone sich zur selben Zeit am selben Ort befinden.
Gezielte Angriffe: Eine NSA-Abteilung entwickelt Überwachungstechnik für Computer, Handys und andere Geräte. Dazu gehören Monitor-Kabel, über die man das Bild eines Monitors abgreifen kann, sowie Bauteile, die Zugriff auch auf Computer ohne Internet-Anschluss gewähren.
Überwachung von ausländischen Staatschefs: Die NSA hörte Angela Merkels Handy ab, wie der Spiegel enthüllte. Auch die EU-Vertretungen in New York und Washington waren laut Guardian im Visier des US-Geheimdienstes. Insgesamt sollen Telefone von 35 Spitzenpolitikern abgehört worden sein, darunter Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff.
Gibt es neben Edward Snowden einen weiteren Enthüller, der Geheimdienstinformationen an Medien weitergegeben hat? Dieser Frage gehen derzeit US-Regierungsbeamte nach. Auslöser für den Verdacht ist ein Bericht der Enthüllungsseite The Intercept, in dem detailliert über Datenbanken von US-Behörden berichtet wird, in denen Terrorverdächtige gelistet werden. Zugespielt wurden die Dokumente dem Journalisten Glenn Greenwald, der auch über die Enthüllungen Edward Snowdens über die Internet-Überwachung der US- und anderer Geheimdienste im Juni 2013 zuerst berichtete.
Nicht von Snowden
Die Unterlagen, auf die sich Greenwald stützt, stammen nicht von Snowden. Davon kann ausgegangen werden, da die dem Journalisten zugespielten Dokumente aus einer Zeit datieren, in der sich Snowden bereits auf der Flucht befand. Konkret handelt es sich um Unterlagen der US-Terrorabwehr aus dem August 2013. Greenwald selbst gab dazu keine Auskunft, er deutete in der Vergangenheit jedoch an, dass es einen weiteren Whistleblower geben könnte. Vertreter der US-Geheimdienste erwägen, beim US-Justizministerium die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu beantragen.
Unklar ist auch, über wie viele Daten der "neue Whistleblower" verfügt. US-Regierungsbeamte sprachen gegenüber dem TV-Sender CNN davon, dass das bisher veröffentlichte Material einer geringeren Geheimhaltungsstufe unterliegt als die Snowden-Dokumente. Sie sind mit den Vermerken "Secret" (Geheim) und "NOFORN" gekennzeichnet, was bedeutet, dass sie nicht mit ausländischen Regierungen geteilt werden dürfen. Viele der von Snowden weitergegebenen Dokumente firmieren hingegen unter "Top Secret" (Streng geheim).
Terrorlisten wachsen
Laut den jüngsten Enthüllungen ist die Anzahl der Leute, die in US-Terror-Datenbanken verzeichnet sind, zuletzt stark gestiegen. In der größten Datenbank befinden sich rund eine Million Namen von mutmaßlichen und bekannten Terroristen. Auf einer speziellen "Watchlist" sind knapp 700.000 Leute verzeichnet. Laut The Intercept steht fast die Hälfte der in der Liste geführten Personen in keiner Verbindung zu bekannten Terrorgruppen (siehe Tweet).
Die Anzahl der Personen, die sich auf der No-Fly-Liste befinden und nicht in die USA einreisen dürfen, habe sich seit dem Amtsantritt von Präsident Barack Obama im Jahr 2009 verzehnfacht und umfasst 47.000 Personen. Bereits Ende Juli gelangte, ebenfalls über The Intercept, ein Regelbuch an die Öffentlichkeit, das US-Behörden als Grundlage für die Befüllung der Antiterrorlisten dient. Dafür seien weder "konkrete Fakten" noch "unwiderlegbare Beweise" nötig, heißt es in dem Papier.
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