Sinn Fein gibt Hoffnung für ein vereintes Irland nicht auf

Die Sinn-Fein-Präsidentin Mary Lou McDonald und Michelle O'Neill, Vizepräsidentin von Sinn Fein.
Die Chefinnen der pro-nationalistischen, irischen Partei fordern ein Referendum für 2030 – und setzen dabei auf Multitasking.

Während Großbritannien seit Monaten darüber diskutiert, wie es mit wachsender Migration auf der Insel umgeht, rückt auf der anderen Seite der Irischen See verstärkt die gegenteilige Frage in den Fokus: Könnte Nordirland Großbritannien verlassen?

Denn Sinn Féin lässt nicht locker. 27 Jahre nach dem Karfreitagsabkommen und ein gutes Jahr nach der Ernennung von Keir Starmer zum neuen britischen Premierminister bündelt die pro-republikanischen Partei erneut alle Energien auf eine irische Wiedervereinigung – und spielt ihre Botschaft geschickt über Bande. 

Die Sinn-Féin-Führung hält eine Pressekonferenz in London ab.

Sinn-Fein-Präsidentin Mary Lou McDonald beim Pressetermin in London. 

„Wir brauchen bis 2030 eine Volksabstimmung“, sagte Sinn-Féin-Präsident Mary Lou McDonald – jedoch nicht direkt zu Keir Starmer. Stattdessen teilte sie ihre Forderung mit den Briten über das Frühstücksfernsehen, anschließend mit den in London ansässigen Botschaften in Westminster sowie der ausländischen Presse im holzvertäfelten Konferenzraum der Royal Over-seas League. 

30 Jahre blutiger Konflikt

Eine kleine Einordnung: 1921 hat das britische Parlament eine Grenzlinie durch die irische Insel gezogen. Während dabei der Süden die lang erkämpfte Autonomie erhielt, blieb der Norden unter britischer Herrschaft. Doch in dieser Region verhärteten sich die Fronten zwischen pro-irischen Nationalisten und pro-britischen Unionisten dramatisch; es kam zu den 30-jährigen „Troubles“, die mehr als 3.500 Tote forderten. 

Erst 1998 kehrte mit dem Karfreitagsabkommen (das eine Machtteilung zwischen Unionisten und Nationalisten sowie die Verhinderung einer harten Grenze innerhalb Irlands zusicherte) wenn auch nicht unbedingt Frieden, doch zumindest die Abwesenheit von Konflikt ein. Knapp drei Jahrzehnte nach diesem Abkommen geben die Nationalisten die Hoffnung auf ein vereintes Irland nicht auf. 

Der neuen, nun stark weiblich besetzten Sinn-Féin-Führung ist jedoch bewusst, dass dieses Ziel nicht länger mit Gewalt (Stichwort: IRA) erreicht werden kann. Stattdessen bringen sie differenzierte Argumente ins Spiel. 

Ein Graffito in Belfast zeigt eine Karikatur über Souveränität und Kontrolle.

Die Graffiti im pro-nationalen Grätzel Belfasts sind eindeutig.

Eine Teilung mache bei einer derart kleinen Insel ökonomisch keinen Sinn, erörterte Mary MacDonald bei Good Morning Britain. Es sei gesundheitstechnisch schädlich, ergänzte die frühere Krankenschwester Pat Cullen in der Royal Over-seas Leagu. Und es stelle Nordirland vor eine komplexe Handelssituation ergänzte der frühere irische Finanzminister Conor Murphy. Der Brexit hat ja zum kuriosen Umstand geführt, dass sich Nordirland sowohl an die Handelsauflagen Großbritanniens als auch an jene von Europa halten muss; ein vereintes Irland hätte dieses Problem nicht.

Wiedervereinigung in allen Wahlprogrammen

Aber stehen die Iren überhaupt hinter dem Projekt? Laut aktueller Umfrage würden nur 34 Prozent der Nordiren für eine Wiedervereinigung stimmen. 

Das möchte Mary Lou McDonald so auch nicht stehen lassen. Man müsste den Kontext mitbedenken; bis dato gab es keine aktiven Gespräche zu dem Thema. Das soll sich nun ändern. 

Sinn Fein Führung in London.

Die Spitze Sinn Feins bündelt ihre Energie für ein Referendum

Doch hat Sinn Féin in Nordirland nicht genügend Baustellen? Immer noch müssen über Nacht manche Tore in der Belfaster Friedensmauer geschlossen werden. Bei den Lagerfeuern der Unionisten vergangenes Wochenende wurden unter anderem Strohpuppen von Migrantenbooten angezündet. Und zu Jahresbeginn wurde bekannt, dass 98 Prozent der Frauen in Nordirland zumindest eine Form von Gewalt oder Missbrauch erlebt haben.

Die nordirische Premierministerin Michelle O’Neill räumt ein, das es Handlungsbedarf gebe: Rassismus und Misogynie hätten in Nordirland keinen Platz; dagegen müsse scharf vorgegangen werden.

Und doch, ergänzt Mary Lou McDonald, müssten gleichzeitig die Vorbereitungen für das Referendum  voranschreiten: „Es ist keine Entweder-Oder. Wir müssen tatsächlich Multitasken. Aber weil wir Frauen sind, machen wir das sowieso.“

Kommentare