Schwierige Weihnacht in Bethlehem

Der Christbaum ist geschmückt. In Bethlehem, wo Weihnachten doch angefangen hat, hätte es dieses Jahr beinahe keine bunten Kugeln und Lametta gegeben. Zumindest nicht an der Riesentanne am Krippen-Platz vor der uralten Geburts-Basilika. Die Stadt wollte ein Zeichen der Trauer um die Märtyrer im Kampf um die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem setzen. Aber die Händler machten Druck. Sie gehören zur christlichen Minderheit der Stadt, die vor nur wenigen Jahrzehnten noch eine christliche Mehrheit hatte. Jussef Giacamat vor seinem Souvenir-Geschäft bringt es auf den Punkt: "Trauer? Ja. Aber nicht auf Kosten unserer Weihnachtsfreude."
Die ist in diesem Jahr ohnehin beeinträchtigt. "In Ramallah blieb die große städtische Tanne ungeschmückt", weiß einer der wartenden Fremdenführer vor der Kirche. Auch Ramallah weiter nördlich ist christlich geprägt.

Aber in der Stadt, in der Engel einmal eine friedliche Welt zur Geburt des Messias verkündet haben sollen, zeigt sich der innere Unfrieden der Palästinenser etwas anders. Weihnachten ist hier nicht so leicht abzuschaffen. Doch für die Chöre aus aller Welt wird an diesem Heiligabend keine Festbühne bereit stehen. Die Stadtverwaltung überlässt die Festfreude heuer der Privatinitiative. Mit Mühe verhinderten die Händler, dass statt Kugeln Bilder von Märtyrern an den Baum gehängt wurden.
Märtyrer nicht aus der christlichen Heiligen-Geschichte. Allein seit Oktober wurden 117 Palästinenser getötet. Mehr als 70 davon, nachdem sie in Israel mit Messern oder rasenden Autos als Amok-Attentäter Fußgänger angegriffen hatten und dabei 19 Menschen töteten. Die anderen wurden bei Randalen oder Armee-Razzien im palästinensischen Autonomie-Gebiet getötet. Für Israelis sind es Terroristen. Für Palästinenser Märtyrer des Widerstands.
Ismail Haniyeh, das politische Gesicht der militanten Hamas-Islamisten, sagte es schon vor Jahren: "Unser Widerstand ist weder arabisch noch palästinensisch. Er ist islamisch." Da stehen die Christen plötzlich außen vor.
Frau Bürgermeister
Vera Baboun ist Christin und allgegenwärtige Bürgermeisterin Bethlehems. Mit den Stimmen der Hamas, die im Stadtrat die Mehrheit stellt. Ein moslemischer Stadtchef hätte in Bethlehem weltweit als Provokation gelten können. So wurde die parteilose Frau ernannt. Zum Wohle der Stadt. Die Anglistik-Dozentin brachte neuen Wind herein. "Für die Stadtverwaltung arbeiten heute so viel Frauen wie Männer", erklärt sie stolz. Schon dieser Trend wird bei einigen Stadträten die Stirnrunzeln vertieft haben. Nicht nur von der Hamas.
Dabei weiß die dynamische 51-Jährige, dass sie in ihren Plänen gewisse Grenzen nicht überschreiten darf. Sie ist als Minderheitsvertreterin abhängig. Ein Stadtrat, der nicht genannt werden möchte, macht es verständlicher: "Auf ihr Auto wurden schon mindestens drei Brandanschläge durchgeführt. Da geht es nicht nur um kommunale Streitereien!"
Innerer Unfrieden
Trotzdem: Der innere Unfrieden in Bethlehem fällt ungleich erträglicher aus als der Unfrieden draußen, in anderen Teilen der arabischen Welt.
Muchammad vom Kaffee-Kiosk neben der Moschee auf der anderen Seite des Krippen-Platzes sagt es deutlicher als so mancher christliche Stadtrat: "Auch wenn viele es nicht laut sagen: Uns geht es zurzeit besser als den meisten Arabern. Von Nordsyrien bis Südjemen fließt mehr arabisches Blut. Und es wird von Arabern vergossen." Muchammad ist, wie der Name schon vermuten lässt, kein Christ.
Auch er weiß von den Gerüchten, die Terrormilizen des "Islamischen Staates" planten zu Weihnachten einen großen Anschlag in Bethlehem. "Solche Gerüchte gibt es jedes Jahr", sagt er. Dabei zuckt er die Schultern.
Ganz früher, unter israelischer Militärverwaltung, war es die nationalistische Fatah, die drohte. Als die Fatah die palästinensische Autonomie-Behörde übernahm, stand die radikale Hamas unter Bombenleger-Verdacht.
"Heute eben der IS!" Muchammad benutzt den arabischen Namen Da’esh.
"Auf jeden Fall nimmt die Fatah die Drohungen ernster als sonst", meint er. Schon seit Jahren müssen alle Heiligabend-Besucher des Krippen-Platzes durch Metall-Detektoren schreiten und ihre Ausweise vorzeigen. "Dieses Jahr sollen Sprengstoff-Spürhunde die Besucher anschnüffeln", weiß Muchammad.

Er hat damit kein Problem. Nicht wenige fromme Moslems scheuen aber den Schnauzen-Kontakt mit einem unreinen Tier. Die zu erwartenden Gäste aus aller Welt dürfte es ebenfalls nicht stören. So mancher Krippenschnitzer stellt neben Schafen, Ochs und Esel auch einen Hirtenhund in den Stall. Und die meisten Krippenschnitzer von Bethlehem sind moslemisch.
Weniger Buchungen
Aber wie viele Touristen werden dieses Jahr kommen? Im Vorjahr waren die Bethlehemer Herbergen, deren Bettenmangel biblische Berühmtheit hat, Ende Dezember voll ausgebucht. Die Hotelbetten-Zahl ist seitdem um 40 Prozent gestiegen. Die Buchungen gingen seit Oktober um elf Prozent zurück.
"Für Bethlehem ist eben Weihnachten nicht nur die Ankunft des Messias, sondern auch die der Pilger", erklärt der Rezeptionist im neu eröffneten Intercontinental Hotel. Es liegt in einem neurenovierten architektonischen Schmuckstück. Gleich vor der wuchtigen Sperrmauer an der Straße nach Jerusalem.
Seit Oktober finden die meisten Proteste mit ihren Randalen direkt vor dem Eingang statt. Der Rezeptionist ist pragmatisch: "Dann holen wir unsere Gäste von der Terrasse, schließen die Stahl-Jalousien und noch keinem ist etwas passiert."
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