Russland zieht Truppen an der Grenze zurück

Womöglich hatten die Gespräche in Paris doch Erfolg. Die Krim soll nun Sonderwirtschaftszone werden.

Leichtes Aufatmen in diplomatischen Zirkeln: Russland zieht nach Angaben aus dem Außenministerium in Kiew seine Truppen von der gemeinsamen Grenze in der Ostukraine "nach und nach" zurück. Das sagte ein Sprecher am Montag der Nachrichtenagentur AFP. Der Grund für den russischen Rückzug ist unklar - es könne daran liegen, dass die Armee ihre Versorgungslinien sichern wolle, hieß es aus Kiew. "Die andere Hypothese ist, dass es an den Verhandlungen zwischen Russland und den USA liegt", sagt der Sprecher. Diese Gespräche zwischen den Außenministern John Kerry und Sergej Lawrow hatten am Sonntagabend in Paris geendet - doch Durchbruch war keiner vermeldet worden.

"Wir haben unterschiedliche Ansichten zu ihrer Entstehung", sagte Lawrow nach dem mehrstündigen Gespräch mit Kerry. "Aber wir wollen gemeinsam Berührungspunkte zur Lösung der Lage in der Ukraine suchen." In das Gespräch war Lawrow auch mit der Forderung gegangen, die Ukraine müsse sich zu Neutralität verpflichten und auf einen NATO-Beitritt verzichten. Kerry betonte, es werde "keine Entscheidung über die Ukraine ohne die Ukraine" geben.

Die US-Regierung geht davon aus, dass rund 20.000 russische Soldaten in Grenznähe zur Ukraine stationiert sind. Kiew und der Westen zeigten sich alarmiert. Aus Moskau wurden dagegen massive Truppenbewegungen dementiert. Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte am Samstag versichert, Russland hege "nicht die geringste Absicht", in der Ukraine einzumarschieren.

Keine Einmischung erwünscht

Dmitri Medwedew besucht mit Ärzten und Betreuern eine Gruppe Kinder in einem Spielzimmer.
Russia's Prime Minister Dmitry Medvedev (2nd R, front) visits a children's hospital in the Crimean city of Simferopol, March 31, 2014. Medvedev visited Crimea on Monday, flaunting his country's grip on the Black Sea peninsula following its annexation from Ukraine. REUTERS/RIA Novosti/Alexander Astafyev/Pool (UKRAINE - Tags: POLITICS HEALTH TPX IMAGES OF THE DAY) ATTENTION EDITORS - THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS
Die Regierung in Kiew verbat sich jede Einmischung durch Russland - die Forderung nach einer Föderalisierung der staatlichen Strukturen wurde scharf zurückgewiesen. Russland solle vor seiner eigenen Haustür kehren, erklärte das ukrainische Außenministerium. Auch der Forderung nach Russisch als Amtssprache erteilte das Ministerium eine klare Absage. Lawrow habe seine Vorstellung in einem ultimativen Ton vorgetragen, erklärte das Ministerium weiter. Dies zeige, dass die Regierung in Moskau "als ein wahrer Aggressor" gar nicht an der Lösung der Krise interessiert sei. Vielmehr lasse sie Waffen sprechen, um die "totale Kapitulation der Ukraine, ihre Teilung und die Zerstörung des ukrainischen Staates" zu erreichen.

Zumindest die Krim ist offiziell nun in russischer Hand: Anlass für Ministerpräsident Dmitri Medwedew, das neue Staatsgebiet zu besuchen. Am Montag will er mit der Krim-Regierung die Entwicklung der aus russischer Sicht eingegliederten Region besprechen, teilte er über Twitter mit.

Eine Maßnahme scheint schon fix: Die Krim soll laut Medwedew zu einer Sonderwirtschaftszone ausgebaut werden. Um Investoren anzulocken, solle es auch Steuererleichterungen geben. "Unser Ziel ist es, die Halbinsel so attraktiv wie möglich für Investoren zu machen, sodass sie genug Einkommen für ihre eigene Entwicklung hat", sagte Medwedew nach einem Treffen mit russischen Regierungsmitgliedern.

Gedenken

In Kiew gedachten unterdessen Tausende der Opfer der Proteste auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan). Daran nahmen auch Vitali Klitschko und der Unternehmer Pjotr Poroschenko teil. Dem mit Klitschko verbündeten Poroschenko werden bei der Präsidentenwahl am 25. Mai gute Chancen eingeräumt. Klitschko hatte am Samstag überraschend auf eine eigene Kandidatur verzichtet, er will sich stattdessen ein drittes Mal um den Posten des Kiewer Bürgermeisters bewerben. In einem Gastbeitrag für die "Bild"-Zeitung warnte Klitschko zudem vor einer Spaltung seines Landes und forderte zugleich die frühere Regierungschefin Julia Timoschenko auf, ebenfalls die Präsidentschaftskandidatur Poroschenkos zu unterstützen.

Das Bundesheer will einen "Expertenpool" für internationale Einsätze erstellen. Wie Verteidigungsminister Gerald Klug am Montag sagte, sollen dabei Experten für Militärinspektionen und Wahlbeobachtungen erfasst werden. Ein Österreicher hat seinen Einsatz in der Ukraine am Wochenende abgeschlossen. Eine weitere OSZE-Mission mit (vorerst ziviler) österreichischer Beteiligung läuft bereits.

Oberst Hans Lampalzer war seitens des Bundesheeres an einer von Dänemark geführten (noch bis 5. April laufenden, Anm.) Militärinspektion in der Ost- und Südukraine beteiligt. Wie er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Klug sagte, waren die besuchten ukrainischen Verbände zwar in "erhöhter Gefechtsbereitschaft". Grundsätzlich gebe es aber "nichts auffälliges". Und, so Lampalzers Eindruck: "Man ist an einer friedlichen Lösung interessiert, an einer Deeskalation."

Nicht festgestellt wurden laut Lampalzer meldepflichtige Truppenbewegungen - das wären etwa Truppenansammlungen mit mehr als 9.000 Soldaten oder über 500 Panzern.

Auch auf der russischen Seite der Grenze hat es zuletzt eine OSZE-Inspektion gegeben. Dies laut OSZE allerdings am 19. und 20. März - also noch bevor vorige Woche NATO-Vorwürfe über einen angeblichen russischen Truppenaufmarsch laut geworden waren. Eine weitere OSZE-Inspektion auf der russischen Seite der Grenze wäre nur mit russischer Zustimmung möglich, denn die im "Wiener Dokument" vorgesehenen drei verpflichtend zuzulassenden Inspektionen pro Jahr wurden bereits ausgeschöpft.

Derzeit ist eine weitere, größere OSZE-Mission für die Ukraine in Vorbereitung. Österreich hat dafür fünf Soldaten sowie fünf vom Außenministerium nominierte zivile Experten angeboten. Ob und in welchem Ausmaß auf die Bundesheer-Angehörigen zurückgegriffen wird, ist laut Klug noch nicht entschieden. Zwei zivile Experten sind nach Angaben des Außenministeriums bereits seit letztem Dienstag vor Ort und mit Vorbereitungsarbeiten beschäftigt.

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