Regierungskoalition in Rom wackelt: Neuwahlen im Herbst?
Italien steuert auf eine Regierungskrise im Hochsommer zu. Die linkspopulistische Fünf-Sterne-Bewegung seilt sich von der Regierungskoalition ab, die das Kabinett von Premier Mario Draghi seit Februar 2021 unterstützt. Bei dem am Donnerstag geplanten Vertrauensvotum im Senat, in dem die Regierung Draghi über eine dünne Mehrheit verfügt, wollen die Fünf-Sterne-Senatoren nicht abstimmen und den Plenarsaal verlassen.
Draghis Koalitionspartner wollen Beratungen starten, um zu prüfen, ob noch eine Mehrheit vorhanden ist. "Wir wollen überprüfen, ob eine Regierungskoalition in Italien überhaupt noch existiert. Es ist offenkundig, dass der Beschluss der Fünf-Sterne-Bewegung, sich nicht am Vertrauensvotum im Senat zu beteiligen, vieles aufs Spiel setzt", sagte der Sozialdemokraten-Chef Enrico Letta.
Neue Fraktion
Ähnlich sieht die Lage Außenminister Luigi Di Maio, der vor drei Wochen aus der Fünf-Sterne-Bewegung ausgetreten war und eine eigene Fraktion gegründet hatte. Ihm haben sich circa 60 Parlamentarier der Fünf-Sterne-Bewegung angeschlossen. "Der Regierung nicht das Vertrauen auszusprechen, ist eine ernste Angelegenheit. Eine Regierungskrise während des Ukraine-Konflikts und vieler anderen Krisen ist verantwortungslos und könnte das Land in den Abgrund reißen", so Di Maio.
Hintergrund ist ein Streit mit Premier Draghi über einen Gesetzesentwurf zu Hilfsgeldern im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Fünf-Sterne-Chef und Ex-Premier Giuseppe Conte sagte am Mittwochabend, die Regierung müsse mehr im Kampf gegen die wachsenden sozialen Probleme unternehmen. Die Fünf-Sterne-Deputierten hatten bereits am Montag in der Abgeordnetenkammer bei diesem Thema nicht mitgestimmt und damit für Verärgerung bei den übrigen Mitgliedern der Vielparteienregierung gesorgt.
Wahlen im Herbst?
Die Situation ist für Draghi heikel. Am Dienstag hatte er betont, dass er unter dem Damoklesschwert von Ultimaten seitens der Regierungsparteien nicht weiterarbeiten könne. Zugleich schloss er aus, dass er ein neues Kabinett ohne die Fünf-Sterne-Bewegung aufbauen könnte. Sollte es zu einem Koalitionsbruch kommen, bleiben Parlamentswahlen im Herbst die einzige Lösung. Dabei ist es ein Anliegen Draghis, Italien bis zum Ende der Legislaturperiode im kommenden Frühjahr zu führen.
"Wir werden uns an der Abstimmung morgen nicht beteiligen", erklärte Conte. "Wir sind absolut zum Dialog bereit, um unseren konstruktiven Beitrag für die Regierung und für Draghi zu leisten. Aber wir sind nicht bereit, einen Blankoscheck auszustellen." Bei der Abstimmung geht es um ein Konjunkturpaket, das Familien und Unternehmen bei der Bewältigung der Energiekrise unterstützen soll. Conte hatte vergangene Woche eine Reihe politischer Forderungen präsentiert und ihre Erfüllung zur Bedingung für den Verbleib in der Koalition gemacht. Er bekräftigte seine Kritik an Plänen der Regierung, der Ukraine weitere Waffen zu liefern. Am Mittwoch war die Spitze seiner Partei zu Beratungen zusammengekommen. Eine Stellungnahme Draghis lag zunächst nicht vor.
Auf einer Pressekonferenz in Rom sagte Lega-Chef Matteo Salvini am Mittwoch, seine Partei werde Draghi nicht mehr unterstützen, sollte die Fünf-Sterne-Bewegung aus der Koalition ausscheiden. Vorgezogene Neuwahlen seien die beste Lösung, meinte er. "Wenn eine Koalitionspartei ein Regierungsdekret nicht unterstützt, dann war es das, genug ist genug. Es liegt auf der Hand, dass wir wählen gehen sollten", sagte er. Die Demokratische Partei (PD) ist ebenfalls nicht bereit, eine neue Regierung ohne die Fünf-Sterne-Bewegung zu bilden, wie Vorsitzender Letta auf einer Parteiversammlung sagte. Eine Regierungskrise bezeichnete Letta als "verantwortungslos".
Italien könnte frühestens im Herbst wählen, aber es wäre ungewöhnlich, dann eine Parlamentswahl abzuhalten, weil diese sich mit der Ausarbeitung und Verabschiedung des Budgetgesetzes für das nächste Jahr überschneiden würde. Jetzt muss Staatspräsident Sergio Mattarella über das weitere Vorgehen entscheiden. Mit ihm hatte Draghi am Montag politische Gespräche geführt.
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