Rechtspopulist Wilders schlägt Protestwelle entgegen
Nur eine Minute und 28 Sekunden dauerte der Spuk. Doch seither überzieht eine gigantische Protestwelle die Niederlande gegen den Rechtspopulisten Geert Wilders und seine hasserfüllte Attacke gegen Marokkaner. Zum ersten Mal seit fast einem Jahrzehnt begehren die Niederländer auf.
Der Mann, der dies verursachte, sieht sich aber als Opfer einer "Hetze". "Was die Politik und die Medien nun tun: Das ist Hass schüren und hetzen", sagte er am Freitag in Den Haag. Wilders spielt gerne die Unschuld. Er verstehe die "ganze Aufregung" nicht. "Ich habe doch nur eine Frage gestellt"
"Wollt ihr in dieser Stadt mehr oder weniger Marokkaner?" hatte der 50 Jahre alte Chef der „Partei für die Freiheit“ (PVV) seinen Anhängern in einer Kneipe in Den Haag am Mittwochabend zugerufen. "Weniger, weniger" schrien diese zurück. 16 Mal. "Das werden wir regeln", antwortete Wilders, und ein feines Lächeln umspielte seinen Mund.
Grenze überschritten
Der Mann mit der platinblonden Haartolle beherrscht seit fast zehn Jahren die politische Debatte in den Niederlanden. Doch nun überschritt er eine Grenze. Juristen sehen gute Chancen für eine Verurteilung. 2011 war der Politiker noch vom Vorwurf der Hetze freigesprochen worden, da er nur allgemein gegen den Islam agiert hatte.
Die Staatsanwaltschaften können die Strafanzeigen aus dem ganzen Land kaum noch zählen. Parteien wollen Wilders total isolieren, prominente Niederländer und Marokkaner rufen zu Protesten auf. Die jüdische Gemeinschaft fühlt sich an düstere Zeiten während des Zweiten Weltkrieges erinnert. Am Sonntag wird im Fernsehen live ein Protestgottesdienst ausgestrahlt.
Unter starkem politischen Druck distanzierte sich auch der rechtsliberale Ministerpräsident Mark Rutte. Eine Zusammenarbeit mit der Wilders-Partei schließe er aus - vorläufig -, "solange dies die Standpunkte der PVV sind."
Abgeordnete verlassen Partei
Wilders provoziert, sucht bewusst die Grenzen und stellt sich dann selbst als Opfer dar. Diesmal aber sei er zu weit gegangen, meinte der Privatsenders RTL in seinem allerersten Kommentar in 25 Jahren. "Lieber Geert", schrieb die Chefredaktion in einem offenen Brief: "Findest du es verrückt, dass es historische Vergleiche regnet? Nein, natürlich nicht. Du hast sie gesucht, Du hast sie sehr bewusst provoziert. Juden raus. Hitler. Goebbels. Erinnerungen an Deportation."
Die Grenze ist selbst für einige treue Anhänger erreicht. "Dies ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte", sagte der Abgeordnete Roland van Vliet. Er und ein Kollege traten demonstrativ aus der PVV-Fraktion aus. Am Freitag verließ ein weiterer Abgeordneter die lokale Fraktion im Den Haager Rat. Die Wilders-Wähler aber, etwa 10 bis 15 Prozent, halten ihm Umfragen zufolge noch die Treue. Für die bisher schweigende Mehrheit allerdings scheint das Maß voll zu sein.
"Habe Wahrheit gesagt"
Wilders verteidigte am Samstag seine Äußerungen. "Ich habe die Wahrheit gesagt, es tut mir nicht leid, und ich werde mich nicht für die Wahrheit und die Äußerung meiner politischen Ideale entschuldigen", sagte er am Abend auf einer Pressekonferenz. "Ich habe nie gesagt, dass alle Marokkaner das Land verlassen sollen", sagte er. Lediglich habe er "die Kriminellen und diejenigen, die gehen wollen" gemeint. Wilders kritisierte, dass Medien und Politiker ihn mit den Nazis verglichen hätten. "Ich weiß nicht, wo das enden wird, aber ich hoffe, es endet gut für die PVV." Ob weitere Mitglieder seiner Partei den Rücken kehren wollen, wisse er nicht.
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