Prozessbeginn im Mordfall Lübcke: Für Familie „schwer erträglich“

Prozessbeginn im Mordfall Lübcke: Für Familie „schwer erträglich“
Der Andrang zum ersten Verhandlungstag war groß, der Verlauf zäh.

Die Anklage konnte erst gegen Ende verlesen werden, denn kurz nach Verhandlungsbeginn forderten die Verteidiger des Hauptangeklagten schon eine Aussetzung der Verhandlung, weil der Gesundheitsschutz wegen Corona nicht gewährleistet würde. Zudem stellten sie einen Befangenheitsantrag gegen den Richter – der erste Prozesstag im Mordfall Walter Lübcke war ein zäher.

Begonnen hat er mit großem Andrang: Wegen der Pandemie waren nur wenige Zuseher und Journalisten zugelassen. Einige standen schon in der Nacht Schlange vor dem Oberlandesgericht Frankfurt. Dort saß Stephan E., 46 Jahre, auf der Anklagebank. Neben dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU), der sich für einen humangen Umgang mit Geflüchteten einsetzte, ist er auch wegen eines Mordversuchs an einem irakischen Asylbewerber und Verstößen gegen das Waffenrecht angeklagt.

Neben ihm steht der 44-jährige Markus H. ebenfalls vor Gericht, ihm wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen. Auch H.’s Verteidiger setzten auf verschiedenste Anträge, die den Prozess in die Länge ziehen sollte, befanden Beobachter.

Wie diese Strategie bei der anwesenden Familie von Walter Lübcke ankam, fasste ihr Anwalt so in Worte: Für die Nebenklage sei es "schwer erträglich, den heutigen Vormittag als Beginn der Hauptverhandlung zu erleben", sagte Anwalt Holger Matt. "Alle Anträge der Verteidigung sind unbegründet und die Verteidiger wissen das auch. Hier wird in rechtsstaatlichen Prinzipien gefischt."

"Eine völkisch-nationalistische Grundhaltung"

Nach einer längeren Unterbrechung, drückte der Vorsitzende Richter doch etwas aufs Tempo. Und der Generalbundesanwalt am Wort: Der Angeklagte E. "vertritt eine von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit getragene völkisch-nationalistische Grundhaltung", erklärte er und beschrieb das Verhältnis der zwei Freunde, die früher durch rechtsextreme Umtriebe auffielen, zuletzt gemeinsam Demos von AfD, Pegida und Pro Chemnitz besuchten.

Beide Angeklagten verfolgten die gesamte Verhandlung schweigend mit. Stephan E. hatte kurz nachdem er mittels DNA-Probe gefasst wurde, ein umfassendes Geständnis abgelegt, das er später widerrief. Monate später sagte er erneut aus - mit einer ganz anderen Darstellung der Geschehnisse. Die Richter am Oberlandesgericht werden nun herausfinden müssen, ob er Walter Lübcke mit einem Kopfschuss gezielt getötet hat, oder ob sich der Schuss - so die Darstellung von Ernst - versehentlich bei einem Streit auf der Terrasse löste. Die Ermittler halten diese Version nicht für glaubhaft.

Der Vorsitzende Richter versuchte, E. und H., am Ende zu einer Aussage zu ermutigen: "Hören Sie nicht auf Ihre Verteidiger, hören Sie auf mich", rief er den Angeklagten zu. Die beste Verteidigung, wenn es etwas zu gestehen gebe, sei ein frühzeitiges Geständnis. 32 Verhandlungstermine sind bis Ende Oktober angesetzt - nicht auszuschließen, dass es länger dauern könnte.

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