Prognosen: Übergangspräsident Tokajew gewinnt Wahl in Kasachstan

Tokajew folgt auf Nasarbajew
Die Wahl war von massiven Protesten begleitet.

Übergangspräsident Kassim-Jomart Tokajew hat die Wahl in Kasachstan laut Prognosen klar gewonnen. Nachwahlbefragungen des Instituts Öffentliche Meinung zufolge kam Tokajew auf mehr als 70 Prozent der Stimmen. Der Oppositionspolitiker Amirschan Kosanow folgte mit lediglich 15,4 Prozent.

Die Wahl war von massiven Protesten gegen Tokajew und den bereits im Vorfeld erwarteten Wahlausgang begleitet gewesen. Das Innenministerium bestätigte rund 500 Festnahmen. Marat Koschajew, stellvertretender Innenminister, warf "radikalen Elementen" vor, "nicht zugelassene" Demonstrationen abgehalten zu haben.

"Schande!"

Demonstranten in Almaty riefen "Schande, Schande, Schande!", als Polizisten ihre Kundgebung auflösten und forderten die Sicherheitskräfte auf, sich "auf die Seite des Volkes" zu schlagen. Es handelt sich um die größten Proteste in dem mehrheitlich muslimischen Land seit drei Jahren.

AFP-Korrespondenten beobachteten am Sonntag sowohl in der Hauptstadt Nur-Sultan (früher Astana) als auch in Almaty, wie Demonstranten teilweise mit Gewalt abgeführt wurden. Die Menschen protestierten gegen den erwarteten Sieg Tokajews, der von dem langjährigen Staatschef Nursultan Nasarbajew zu seinem Nachfolger bestimmt worden war. Tokajew gilt als Vertrauter Nasarbajews. Mit seinem Wahlsieg war deshalb gerechnet worden.

Zu der Wahl, bei der 300 Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Einsatz waren, waren knapp zehn Millionen Menschen aufgerufen. Nach Angaben der Wahlkommission lag die Wahlbeteiligung bei 77 Prozent. Mit einem offiziellen Endergebnis wird erst am Montag gerechnet. Nasarbajew hatte bei seiner letzten Wahl 2015 rund 97 Prozent der Stimmen geholt.

Wer hat die Macht?

In Wien wurde in der Botschaft Kasachstans ein Wahllokal geöffnet, hieß es in einer Aussendung am Sonntag. Ungefähr 340 kasachische Staatsbürger, die in Österreich leben oder sich vorübergehend dort aufhalten, standen demnach in der Wählerevidenz.

Tokajew hatte seinen Landsleuten eine "ehrliche, offene und faire" Wahl versprochen. Die OSZE hat Wahlen in dem zentralasiatischen Land bisher allerdings noch nie als frei und fair eingestuft. Menschenrechtsorganisationen beklagen eine Unterdrückung der Opposition. Diese geht davon aus, dass der 78-jährige Nasarbajew auch nach seinem überraschenden Rücktritt vor zweieinhalb Monaten weiterhin das Sagen in dem ölreichen Land hat.

Tokajew selbst hatte Journalisten gegenüber gesagt, Nasarbajew verfüge weiterhin über Machtbefugnisse "als Vorsitzender des Sicherheitsrats (...) und in weiteren Funktionen". Mit Blick auf die Auflösung von Demonstrationen durch die Polizei im Vorfeld der Wahl erklärte Tokajew, in einen Dialog mit allen treten zu wollen. Die Sicherheitskräfte habe er zur "Zurückhaltung" aufgerufen, sagte Tokajew, fügte jedoch hinzu, dass "ernsthafte Verstöße gegen unsere Gesetze natürlich nicht toleriert" würden.

Bereits im Vorfeld der Wahl hatte die Polizei den Druck auf Oppositionelle verstärkt. Demonstranten wurden teilweise zu kurzen Haftstrafen verurteilt, Wohnungen von Aktivisten wurden durchsucht.

Der pensionierte Verwaltungsbeamte Marat Sagyndykow sagte AFP, er habe am Sonntag für Tojakew gestimmt, damit dieser den "Kurs des Führers der Nation" - gemeint ist Nasarbajew - fortführe. "Ich denke, wir hatten in den vergangenen 30 Jahren einige Erfolge. Es gab auch Negatives, aber das ist in allen Ländern so", sagte der 65-Jährige gegenüber der AFP.

Der Video-Blogger Aslan Sagutdinov, der bei Protesten im Mai festgenommen worden war, erklärte gegenüber der AFP per E-Mail, dass er nicht wählen werde. "Wenn man an unfairen Wahlen teilnimmt, gibt man ihnen ein Argument dafür zu sagen, die Wahlen seien fair", schrieb Sagutdinov.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bezeichnete einen Politikwechsel in Kasachstan in Folge der Wahl als "Illusion" und kritisierte die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen auch unter Tokajews Interimspräsidentschaft.

 

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