Privatfeier statt Krisenstabssitzung: "Party-Boris" wieder in der Kritik

Das Ende einer Ära: Am Ende wurde Johnson seiner Partei zu viel.
Der scheidende Regierungschef Boris Johnson blieb wichtiger Sitzung fern. Labour-Opposition spricht von "Zombie-Regierung".

Der britische Premier Boris Johnson ist am Wochenende erneut wegen einer Feier in die Kritik geraten. Laut dem Sender Sky News gab der scheidende Regierungschef am Sonntag eine private Party auf dem luxuriösen Landsitz Chequers.

Die Regierung hatte zuvor wegen des für Anfang nächster Woche erwarteten Hitzerekords den Katastrophenfall ausgerufen und eine Sitzung des nationalen Krisenstabs Cobra einberufen. Dabei hatte sich Johnson am Samstag jedoch nicht blicken lassen.

Die stellvertretende Chefin der oppositionellen Labour-Partei, Angela Rayner, sprach von einer "Zombie-Regierung" und forderte Johnson auf, seinen Platz zu räumen, "wenn er immer noch nicht in der Lage ist, Verantwortung zu übernehmen".

Hitzewarnung

Es brauche einen Plan, wie Menschen angesichts der Hitze bei der Arbeit, im Verkehr, Schulen, Krankenhäusern und Pflegeheimen sicher seien, so Rayner weiter.

Der britische Wetterdienst hat für Montag und Dienstag eine rote Wetterwarnung wegen Hitze herausgegeben - zum ersten Mal überhaupt. Erwartet werden in großen Teilen Englands bis zu 40 Grad Celsius. Der bisherige Temperaturrekord liegt bei 38,7 Grad und wurde 2019 in Cambridge gemessen.

Skandale

Johnson war Anfang Juli unter massivem Druck aus seiner Fraktion und dem Kabinett vom Amt des Parteichefs zurückgetreten. Er hatte zuvor mit einem Skandal nach dem anderen zu kämpfen - unter anderem wegen verbotener Lockdown-Partys im Regierungssitz. Bis zur Wahl einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers will er aber im Amt bleiben.

Das Auswahlverfahren geht am Montag in eine weitere Runde, wenn sich die fünf verbliebenen Kandidaten einer Abstimmung unter den Fraktionsmitgliedern der Konservativen Partei stellen. Der Letztplatzierte fliegt raus. Der Vorgang wird solange fortgesetzt bis nur zwei Kandidaten übrig sind.

Wer Johnson als Parteichef und damit als Premier nachfolgt, sollen dann die Tory-Parteimitglieder über den Sommer entschieden.

Im Wettbewerb um die Johnson-Nachfolge hat sich der Ton am Wochenende unterdessen weiter verschärft. Zunehmend ins Kreuzfeuer ihrer Rivalen geriet dabei die bei der konservativen Parteibasis beliebte Handels-Staatssekretärin Penny Mordaunt. Zur Kritik an ihr gehörte unter anderem der Vorwurf, sie sei zu weit auf Forderungen von Aktivisten für die Rechte von Transmenschen eingegangen. Mordaunt sprach von einer Schmutzkampagne.

Neben Mordaunt sind derzeit noch vier weitere Bewerber im Rennen um das Spitzenamt. Das Bewerberfeld soll bis kommenden Mittwoch in mehreren Abstimmungsrunden in der Tory-Fraktion weiter von fünf auf zwei reduziert werden. Bei jeder Runde fliegt jeweils der oder die Letztplatzierte raus. Danach haben die Parteimitglieder das Sagen.

Als weitgehend gesetzt für die Finalrunde gilt Ex-Finanzminister Rishi Sunak. Die zweitmeisten Stimmen konnte bisher Außenministerin Liz Truss hinter sich bringen. Doch auch Mordaunt und der bisher nahezu unbekannten Abgeordneten Kemi Badenoch werden noch Chancen eingeräumt.

Als weniger aussichtsreich gilt die Bewerbung des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses Tom Tugendhat - obwohl der als bestplatzierter Kandidat für eine kommende Parlamentswahl gilt.

Steuern, Migranten, Transmenschen

Inhaltliche Themen sind bisher vor allem von den Kandidaten in Aussicht gestellte Steuererleichterungen, der Umgang mit illegalen Einwanderern sowie die Positionierung im Streit um Rechte für Transmenschen. Oppositionspolitiker warnten vor einem Überbietungswettbewerb rechtskonservativer Positionen.

Kaum eine Rolle spielte bisher das Thema Klimawandel. Der Präsident des im vergangenen Jahr im schottischen Glasgow abgehaltenen UN-Weltklimagipfels COP26, Alok Sharma, wollte einen Rücktritt nicht ausschließen, sollte sich der künftige Regierungschef als schwach bei der Verfolgung von Klimazielen erweisen.

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