Italien: Jetzt soll Napolitano weitermachen

Überraschende Wende bei der Suche nach einem neuen Präsidentin in Italien: Der alte könnte der neue sein. Da sich die Parteien auf keinen Kompromisskandidaten einigen können, und die drei Lager für sich alleine chancenlos sind, soll Amtsinhaber Giorgio Napolitano auf Drängen fast aller politischer Kräfte im Amt bleiben und das Land vor dem völligen Chaos bewahren. Der 87-Jährige könnte noch heute im sechsten Wahlgang bestätigt werden, in der Folge das Parlament auflösen und den Weg für Neuwahlen ebnen.
Angesichts der politischen Situation könne er sich nicht entziehen, Verantwortung gegenüber seinem Land zu übernehmen, erklärte Napolitano. Er hoffe, dass die im Parlament vertretenen Parteien dasselbe Verantwortungsbewusstsein beweisen würden. Napolitano ist für den sechsten Wahlgang unumstrittener Favorit, doch bisher ist noch kein Präsident in der republikanischen Geschichte Italiens für eine zweite siebenjährige Amtszeit gewählt worden. Dem neuen alten Staatschef, der sonst zum 15. Mai abgetreten wäre, kommt die schwierige Aufgabe zu, die Regierungskrise im Land zu bewältigen: Im Abgeordnetenhaus hat das Mitte-Links-Bündnis zwar eine Mehrheit, im Senat aber nicht – eine Pattstellung. Es wird Neuwahlen brauchen, um die Führungskrise zu überwinden und wieder Stabilität einkehren zu lassen.
Die einfachste Lösung
Die fünfte Abstimmung war Samstagmittag wie erwartet ergebnislos zu Ende gegangen. Die Parlamentarier des Mitte-links-Blocks und die rechtspopulistische Lega Nord gaben leere Stimmzettel ab. Die Mandatare der Mitte-Rechts-Allianz um Ex-Premier Silvio Berlusconi beteiligten sich überhaupt nicht an dem Urnengang. Der Kandidat mit den meisten Stimmen war der Jurist Stefano Rodotà, Kandidat der Grillo-Protestbewegung "Fünf Sterne", der jedoch mit 210 Nominierungen die absolute Mehrheit von 504 klar verfehlte. Ein weiterer Durchgang ist am Samstagnachmittag angesetzt. Immer klarer kristallierte sich heraus, dass durch Wahlen so schnell kein neuer Präsident gefunden werden kann.

Napolitano hatte in den vergangenen Monaten mehrfach abgelehnt, weiterzumachen. Am Samstag empfing er neben dem scheidenden Chef des linken Partito Democratico, Pier Luigi Bersani, unter anderen auch den konservativen ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi sowie den regierenden Premier Mario Monti. Zur selben Stunde lief in Rom die fünfte Runde zur Wahl eines neuen Staatschefs, ohne die geringste Aussicht auf einen Durchbruch. Nach den Konsultationen gab Napolitano angesichts der Pattsituation bekannt, sich nun doch erneut zur Wahl zu stellen.
Tiefe Spaltung der Linken

Noch vor drei Monaten galt er als sicherer Sieger der Parlamentswahlen und als künftiger Premier Italiens mit einem gewaltigen Vorsprung gegenüber seinem Erzrivalen Silvio Berlusconi. Mit über drei Millionen Vorzugsstimmen war er im vergangenen November zum Premierkandidaten des Mitte-Links-Blocks gekürt worden. Nach Jahren auf den harten Bänken der Opposition hatte Bersani fest mit einem Wendepunkt in seiner politischen Karriere gerechnet und auf das Premieramt gehofft. Die Realität sieht anders aus. Fast zwei Monate nach den Parlamentswahlen im Februar sitzt Bersani heute vor einem Scherbenhaufen. Sein Traum, zum Regierungschef Italiens aufzurücken, ist verraucht, seine „Demokratische Partei“ liegt wegen blutiger interner Machtkämpfe in Trümmern.
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