Politische Leichen pflastern Trumps Weg

US-Präsident Donald Trump nimmt an der Unterzeichnungszeremonie für den September 11th Victim Compensation Fund Act im Weißen Haus in Washington teil.
Jetzt geht mit Dan Coats auch der Ober-Geheimdienstler des US-Präsidenten.

Als Amerikas Außenminister noch Rex Tillerson, der Mann im Pentagon James Mattis, der Stabschef im Weißen Haus John Kelly, der Sicherheitsberater des Präsidenten H. R. McMaster und der oberste Geheimdienstler Dan Coats hieß, hielt sich in Washington die Erzählung von den „Erwachsenen“, die Donald Trumps erratische Außenpolitik zivilisieren und so das Schlimmste verhindern würden. Mit Coats ist jetzt der letzte „adult in the room“ kurz vor dem Absprung. In zwei Wochen zieht der 76-jährige Direktor sämtlicher 17 Geheimdienste, von NSA bis CIA, ein Urgestein des moderaten, republikanischen Establishments, die Konsequenz aus einer schleichenden Zerrüttung mit Trump – und geht. Sein Nachfolger wird vorbehaltlich parlamentarischer Zustimmung der zuletzt durch flammende Verteidigungsreden für Trump in der Russland-Affäre aufgefallene texanische Kongress-Abgeordnete John Ratcliffe (53).

"Sorglos"

Coats Abgang ist der Schlusspunkt einer in dieser Form seltenen Fehde zwischen dem Commander-in-Chief und dem Leadsänger der für die Nationale Sicherheit zuständigen Chöre. Auch wenn Trump Coats via Twitter „für seine großen Verdienste für unser Land“ dankte, war der Präsident spätestens seit der noch immer sagenumwobenen Begegnung mit Russlands Präsident Wladimir Putin im Sommer 2018 in Helsinki mit dem früheren Senator aus Indiana und US-Botschafter in Berlin (2001 bis 2005) mehr als unzufrieden.

Coats, ein Mann alter Schule, war über die Anbahnung des Spitzentreffens offenbar komplett im Dunkeln gelassen worden. Als er später in einem Interview von einer Journalistin von einer angeblich bevorstehenden Einladung Putins ins Weiße unterrichtet wurde, sagte Coats konsterniert: „Was? Sagen Sie das noch mal“. Und kurz darauf mit einem kopfschüttelnden Schmunzeln: „Ok. Na, das wird ja was Besonderes.“ Dass Trump in Helsinki keinen Vertrauten mit in das nur von Dolmetschern begleitete Gespräch mit Putin nahm, hielt Coats dem Vernehmen nach für „unglaublich sorglos“.

Trumps Personalverschleiß im Überblick

James Mattis, ehemaliger US-Verteidigungsminister, bei einer Veranstaltung mit Militärangehörigen.

James Mattis

Knapp vor Weihnachten 2018 kündigt der Verteidigungsminister seinen Rücktritt an. Er wollte den Trump-Kurs nicht mehr mittragen.

James Comey verlässt ein Gebäude.

James Comey

Nur  Wochen nach seinem Amtsantritt feuert Trump im Mai 2017 den FBI-Chef, der zuvor in der Russland-Affäre  ermittelt hatte.

Christopher Wray und Jeff Sessions bei einer Pressekonferenz des US-Justizministeriums.

Jeff Sessions

Der Justizminister (rechts), der wegen der Russland-Ermittlungen gegen Trumps Team in der Kritik stand, tritt  im November 2018 zurück.

 

Porträt von Steve Bannon mit grau meliertem Haar und Bart.

Steve Bannon

Der Chefstratege Trumps musste nach Attacken gegen Ivanka Trump und deren Mann Jared Kushner im August 2018 seinen Hut nehmen.

Porträt von John Kelly mit Anzug und Krawatte.

John Kelly

Auch der zweite Stabschef unter Staatspräsident Donald Trump verlässt Ende des Vorjahres das Weiße Haus. 

Sarah Huckabee Sanders spricht vor Mikrofonen.

Sarah Sanders

Im Vormonat twittert der US-Präsident, dass seine Pressesprecherin mit Ende Juni  das Weiße Haus verlassen werde. 

Nahaufnahme des Gesichts von Michael Flynn.

Michael Flynn

Nach nur 23 Tagen im Amt muss Trumps  Sicherheitsberater im  Februar 2017 gehen.   Grund: Verstrickungen in die Russland-Affäre.

Ein Mann mit Glatze trägt einen grauen Anzug und eine gemusterte Krawatte.

General H. R. McMaster

Auch der zweite Nationale Sicherheitsberater von Trump hält sich nicht lange. Im März 2018 wird er von John Bolton abgelöst. 

Nikki Haley blickt ernst in die Kamera.

Nikki Haley

Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen legt ihren Posten mit Jahresende 2018  zurück – freiwillig, wie sie sagt.

Ein Mann im Anzug mit gelber Krawatte sitzt an einem Tisch mit einem Mikrofon.

Alexander Acosta

Der Arbeitsminister muss am 12. Juli zurücktreten.  Er stolpert über einen Deal mit  Epstein (2008), der des Missbrauchs bezichtigt wird.

Ähnlich im Clinch lagen Coats und Trump, als es um die Bedrohung der amerikanischen Demokratie durch Moskau ging. Noch im Jänner bekräftigte der dreifache Vater, dass Russland mit Macht dabei sei, auch die kommenden US-Wahlen 2020 mit den Mitteln der digitalen Kriegsführung unter anderem in sozialen Medien zu torpedieren. Trump streitet schon die klandestinen, wahlbeeinflussenden Aktionen Russlands 2016, für die sich sämtliche US-Geheimdienste verbürgen, ab. Als Coats dem seinerzeit entgegenhielt, man werde weiter „ungeschminkte und objektive Informationen“ zur Unterstützung unserer nationalen Sicherheit liefern, blaffte Trump zurück, dessen Sicherheitsdienste seien „naiv“.

Dass Coats bis vor wenigen Wochen dem Iran Vertragskonformität in Sachen Atomabkommen attestierte, passte Trump ebenso wenig ins Konzept wie Coats’ Warnungen vor Nordkorea. Dass Diktator Kim Jong-un seine Nuklear-Waffen komplett verschrotten werde, wie Trump der Öffentlichkeit suggeriert, sei unrealistisch, sagte er bei einer Anhörung: „Nordkoreanische Führer betrachten Atomwaffen als entscheidend für das Überleben des Regimes.“

Unfug

Als im Herbst vergangenen Jahres ein Aufsehen erregender Artikel in der New York Times erschien, geriet auch Coats im Weißen Haus inoffiziell unter Obstruktionsverdacht. Ein Anonymus der Regierung hatte sich öffentlich der Sabotage der Politik Trumps bezichtigt. Zitat: „Viele hochrangige Offizielle in seiner eigener Administration arbeiten gewissenhaft daran, Teile seiner Agenda und seiner schlimmsten Tendenzen zu hintertreiben. Ich muss es wissen. Ich bin einer von ihnen.“

Wäre nicht Vizepräsident Mike Pence gewesen, der wie Coats lange im Bundesstaat Indiana politisch aktiv war und ihm den Rücken stärkte, hätte Trump den für seinen trockenen Humor bekannten Polit-Routinier schon früher ausgemustert. In politischen Kreisen in Washington wird erwartet, dass Coats designierter Nachfolger Ratcliffe im Verein mit Justizminister William Barr die Geheimdienste einspannen könnte, um angebliche Indizien für die von Trump behauptete Intrige des „tiefes Staates“ (deep state) gegen seine Präsidentschaft in die Öffentlichkeit zu lancieren. Coats hielt diese Annahme immer schon für Unfug.

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