"Politische Justiz" vor Spaniens Höchstgericht?

Zahlreiche Personen sitzen in einem Saal während einer Versammlung.
Die Separatisten aus Katalonien stehen seit heute vor Gericht - und weigern sich, dieses anzuerkennen.

„Politische Justiz“ tönte ein Anwalt im Gerichtssaal, „brutale Unterdrückung“ die Demonstranten draußen auf der Straße. Am Dienstag begann vor dem Madrider Höchstgericht der Prozess gegen zwölf Vertreter der abgesetzten Regionalregierung der Region Katalonien. Und die – ebenso wie ihre Rechtsvertreter und Unterstützer – ließen von Anfang keine Gelegenheit aus, um das Verfahren als politisch motiviert darzustellen und die Unabhängigkeit der spanischen Justiz in Abrede zu stellen.

„Rebellion“, „Aufruhr“, aber auch „Veruntreuung“ sind die wichtigsten Punkte der Anklage gegen die Separatisten. Es geht um das Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens, das diese im Oktober 2017 abgehalten haben – ungeachtet des Verbots durch das spanische Höchstgericht. Nachdem man wenige Wochen später diese Unabhängigkeit im Parlament in Barcelona erklärt hatte, griffen Spaniens Justiz und die Zentralregierung ein: Die Regierung in Barcelona wurde abgesetzt, deren führende Vertreter in Untersuchungshaft genommen. Einige, darunter auch der ehemalige Chef der Regionalregierung, Carles Puigdemont, setzten sich ins Ausland ab.

Puigdemont selbst, der weiterhin in Belgien sitzt, meldete sich ebenfalls zum Auftakt des Prozesses mehrfach zu Wort. In Gastkommentaren in Zeitungen und mehreren TV- Interviews spricht auch er von „staatlicher Unterdrückung“ und „autoritärem Verhalten“ der spanischen Regierung.

Der Streit um die Unabhängigkeit Kataloniens und die Loslösung von Spanien könne nicht vor Gericht entschieden werden, sondern nur durch Dialog.

„Propaganda“

Für Spaniens Regierung ein haltloser Vorwurf. Was in Madrid vor Gericht behandelt werde, sei nicht der Streit um die Unabhängigkeit, sondern Gesetzesbruch und kriminelles Vorgehen durch die Politiker in Barcelona. Man verweist auf die auch international anerkannte Unabhängigkeit der spanischen Gerichte. Tatsächlich geben international renommierte Institutionen wie der US-think-tank Freedom House Spanien einen Spitzenplatz unter den europäischen Demokratien. „Diese Politiker werden nicht wegen ihrer Ideen vor Gericht gestellt“, betont ein hochrangiger spanischer Diplomat gegenüber dem KURIER, „sondern schlicht, weil sie das Gesetz gebrochen haben“.

Kein Rechtsstaat könne zulassen, dass sich Bürger über seine Verfassung hinwegsetzten. Die verbietet die Abspaltung einzelner Regionen und gibt der Regierung die Verantwortung für die Einheit des Staates.

Auch verweist man auf aktuelle Umfragen, in denen sich eine Mehrheit der Bürger Kataloniens gegen eine Unabhängigkeit der Region ausspricht. Die Separatisten würden mit ihrer populistischen Politik keine Rücksicht auf die Interessen der Bürger nehmen. Der Vorwurf der politischen Justiz jedenfalls sei schlicht Propaganda: „Das sind keine politischen Gefangenen, sondern Politiker im Gefängnis.“

konrad kramar

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