Katalonien-Krise: Mit Anlauf in die politische Sackgasse

Katalonien-Krise: Mit Anlauf in die politische Sackgasse
Heute beginnt der Prozess gegen separatistische Politiker. Er droht den Konflikt um die Region weiter zu verschärfen

Hochverrat“, „Rebellion“, „Verfassungsbruch“: Die Anklagepunkte, die Spaniens Staatsanwaltschaft heute, Dienstag, vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid auftischt, klingen nach einem gescheiterten Putschversuch. Entsprechend hoch sind die Haftstrafen, die den zwölf ehemaligen Politikern der Regionalregierung Kataloniens drohen. Gefordert werden bis zu 25 Jahre Haft.

Von der früheren Präsidentin des Parlaments in Barcelona, Carmen Forcadell, bis zum ehemaligen Vizechef der Regionalregierung, Oriol Junqueras: Sie alle werden für die dramatischen Ereignisse des Jahres 2017 verantwortlich gemacht (siehe auch nebenstehende Geschichte). Damals hielt Katalonien – ungeachtet eines höchstgerichtlichen Verbotes – ein Referendum über die Unabhängigkeit der Region ab. Ein paar Wochen später wurde die im Parlament beschlossen. Dann schlug Madrid zu, setzte die Regierung ab. Schließlich wurde gegen die Mitglieder der Regionalregierung Anklage erhoben. Deren Chef, Carles Puigdemont, setzte sich ins Ausland ab und lebt heute in Brüssel im Exil. Jene seiner Parteigänger, derer man habhaft werden konnte, wanderten in Untersuchungshaft, wo sie seither sitzen.

„Selbstbestimmung“

Die politische Krise zwischen Madrid und Barcelona hat sich seither nur noch verschärft. Und das, obwohl in Madrid inzwischen eine sozialistische Regierung mit Pedro Sanchez an der Spitze sitzt. Der versuchte über Monate mit den Separatisten ins Gespräch zu kommen, bot eine weitere Ausweitung der ohnehin großzügigen Autonomie Kataloniens an.

Doch Quim Torra, amtierender Regierungschef in Barcelona und damit Statthalter Puigdemonts, beharrt auf einem Prinzip, das für Madrid unannehmbar bleibt: „Selbstbestimmung“ für Katalonien. Damit wäre der Weg in die Unabhängigkeit unwiderruflich eingeschlagen – und diesen Weg verbietet Spaniens Verfassung ausdrücklich.

Zuletzt wollte Sanchez einen internationalen Vermittler einschalten, um die Gespräche voranzubringen. Die Initiative wurde gestoppt, als man in Barcelona trotzdem keine Kompromissbereitschaft zeigte. „Alle Brücken mit Madrid sind abgebrochen“, analysiert die spanische Zeitung El Pais die Situation.

Der heute eröffnete Prozess droht die Krise nur weiter zu verschärfen. In Barcelona sprechen die Vertreter der Regierung von „politischer Justiz“. Man werde nur einen Freispruch akzeptieren. Alles andere sei nur eine Fortsetzung der politischen Unterdrückung durch Madrid. Wenn es also zu keinen Verhandlungen über die Selbstbestimmung komme, werde man den Weg in die Unabhängigkeit fortsetzen. Schließlich habe das Parlament in Barcelona genau das beschlossen.

Krieg an zwei Fronten

Der spanische Regierungschef Sanchez hat nicht viel politischen Spielraum für Verhandlungen. Er führt eine Minderheitsregierung und muss demnächst ein Budget durchs Parlament bringen. Das kann ihm nur gelingen, wenn ihn die Abgeordneten aus Katalonien unterstützen. Doch die verlangen dafür Verhandlungen nach ihren Spielregeln.

Auf der anderen Seite erhöht Spaniens rechte Opposition ständig den Druck. Man müsse endlich Schluss machen mit den Zugeständnissen an die Katalanen. Die Unabhängigkeitsbewegung sei ein Fall für die Gerichte , ihre Anführer müssten verurteilt und ins Gefängnis gesteckt werden.

Am meisten Öl ins Feuer gießt derzeit eine neue rechtsradikale Partei namens Vox. Sie hat bei Regionalwahlen in Andalusien Ende des Vorjahres 15 Prozent der Stimmen erzielt. Für Spanien ein historischer Umbruch, hielt man doch in dem bis 1975 vom faschistischen Diktator Franco beherrschten Land den Erfolg einer so weit rechts stehenden Partei für undenkbar. Jetzt drängen alle Rechtsparteien auf Neuwahlen in Spanien, bei denen sie laut Umfragen gemeinsam eine Mehrheit erzielen könnten

Irrwege

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In Madrid demonstriert die Rechte für Neuwahlen

Schlechte Voraussetzungen also für weitere Verhandlungen zwischen Madrid und Barcelona. Doch die, egal wie mühsam, seien der einzige Weg, urteilt der katalanische Politikwissenschaftler Josep Valles. Weder mache es Sinn, dass Barcelona einseitig die Unabhängigkeit ausrufe, noch dass Madrid die Sache mit einer Handvoll Gerichtsurteile aus der Welt zu schaffen versuche: „Allesamt Irrwege. Die Lösung ist viel komplizierter.“

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