Polen und die EU: Noch kein Ausweg aus der Krise

Mateusz Morawiecki bei Jean-Claude Juncker
Im Lichte des laufenden EU-Vertragsverletzungsverfahrens kam der neue Premier Morawiecki in Brüssel mit Kommissionschef Juncker ins Gespräch.

Drei Wochen nach Eröffnung eines EU-Sanktionsverfahrens gegen Polen kommen Warschau und Brüssel wieder ins Gespräch. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker empfing Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Dienstagabend zu einem Arbeitsessen in Brüssel.

Man habe sich in freundlicher Atmosphäre intensiv ausgetauscht, erklärten beide anschließend. Man habe die Rechtsstaatlichkeit in Polen detailliert besprochen. Auch wurden weitere Gespräche vereinbart, mit dem Ziel, "bis Ende Februar Fortschritte zu erreichen".

Ein Ausweg aus der Krise ist aber noch nicht erkennbar. Denn Morawiecki verteidigte die umstrittenen Justizreformen seiner Regierung auf einer Pressekonferenz nach seinem fast dreistündigen Treffen mit Juncker: Das Justizsystem solle gerechter und objektiver werden, sagte der Politiker am späten Dienstagabend.

Sanktionsverfahren

Die Kommission hatte im Dezember wegen der Justizreformen in Polen durch die nationalkonservative Regierung eine Gefährdung von EU-Grundwerten wie Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung festgestellt und ein Sanktionsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge gestartet - eine beispiellose Eskalation im Streit mit einem Mitgliedsland. Kritiker bemängeln, die polnische Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) sichere sich Einfluss auf die Gerichte. Die Regierung weist Vorwürfe zurück und hält am Umbau der Justiz fest.

Morawiecki und Juncker erklärten nur, man habe sich über viele Themen ausgetauscht, auch über die "polnische Position in der Europäischen Union" sowie über Migration. "Der Ministerpräsident und der Präsident hatten auch eine detaillierte Diskussion über Fragen mit Bezug zur Rechtsstaatlichkeit", hieß es. Ergebnisse oder Hinweise auf eine Annäherung gab es zunächst nicht.

Regierungsumbildung als Vorleistung

Vor Junckers Treffen mit Morawiecki hatten beide Seiten Dialogbereitschaft signalisiert. Morawiecki berief nur Stunden vor seiner Abreise nach Brüssel gleich mehrere Minister ab, die auf EU-Ebene für Kontroversen gesorgt hatten. Darunter war Außenminister Witold Waszczykowski, der den stellvertretenden EU-Kommissionspräsidenten Frans Timmermans im Justizstreit scharf attackiert hatte. Auch der wegen Abholzungen im Urwald Bialowieza von der EU-Kommission kritisierte Umweltminister Jan Szyszko wurde ersetzt.

Polnische Experten werteten die Kabinettsumbildung als Entgegenkommen. Dies sollte die EU-Mitgliedstaaten davon überzeugen, gegen Strafen für das Land zu stimmen, sagte der Politologe Norbert Maliszewski nach Angaben der Agentur PAP.

Artikel 7

Im Artikel-7-Verfahren obliegt es dem Rat der Mitgliedsländer, gegen Polen vorzugehen, um es zur Einhaltung der Normen zu bewegen. Mit Vier-Fünftel-Mehrheit könnten sie die Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung von EU-Grundwerten bestätigen. In einem weiteren Schritt könnten die Mitgliedsländer dann einstimmig feststellen, dass eine schwerwiegende Verletzung der Grundwerte vorliegt und so die Grundlage für Sanktionen legen. Da das ebenfalls nationalkonservativ regierte Ungarn sein Veto angekündigt hat, gilt dies als unwahrscheinlich.

Der Rat könnte sich im Februar erstmals mit dem Verfahren beschäftigen. Allerdings hat die Kommission Polen drei Monate Zeit zur Kurskorrektur gelassen. Vorher dürften kaum Entscheidungen fallen.

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