PKK legte Waffen nieder: Das Ende eines jahrzehntelangen Kampfes?

Symbolakt: PKK-Kämpfer im Irak zerstörten ihre Waffen.
Seit 26 Jahren sitzt Abdullah Öcalan wegen Hochverrats bereits im Gefängnis. Diese Woche sah und hörte ihn die Welt seit 1999 zum ersten Mal wieder – in einem Video, aufgenommen in der Haftanstalt auf der türkischen Insel Imrali im Marmarameer.
Was der heute 76-jährige Chef der in mehreren Ländern verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK seinen Anhängern darin mitteilte, knüpfte an seine Botschaft an, die Mitglieder der prokurdischen DEM-Partei schon zu Jahresbeginn vorgelesen hatten: Der bewaffnete Kampf der PKK gegen den türkischen Staat müsse beendet werden. Und die PKK sich auflösen, was diese im Mai auch offiziell verkündet hat.

Abdullah Öcalan, mit anderen PKK-Kämpfern, meldete sich aus der Haft.
Am Montag empfing der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan nun Vertreter der DEM, die Öcalan im Gefängnis besucht hatten. Am Freitag zerstörten PKK-Kämpfer im Norden des Irak – hier hat die PKK ihr Hauptquartier – einen Teil ihrer Waffen. Der gesamte Entwaffnungsprozess dürfte Monate dauern.
Obwohl noch einiges ungeklärt ist, scheint damit ein jahrzehntelanger und blutiger Konflikt zu Ende zu gehen, der seit den 1980er-Jahren mehr als 40.000 Menschenleben gefordert hat.
Das ursprüngliche Ziel war ein eigener Kurdenstaat
Das Gründungsziel der PKK war ein eigener Kurdenstaat. Sie kämpfte gegen den türkischen Staat, verübte Anschläge. Für die Türkei und ihre westlichen Verbündeten ist die PKK, die noch Zehntausende Unterstützer und Sympathisanten haben soll, eine Terrororganisation.
Die große Frage ist derzeit, warum sich die beiden Seiten ausgerechnet jetzt um diesen historischen Schritt der Entwaffnung bemühen.
Thomas Schmidinger, Nahost-Experte von der Universität Wien, sagt dazu: „Schon länger hat sich abgezeichnet, dass beide Seiten nicht mehr gewinnen konnten.“ Zwar sei die Türkei militärisch viel stärker, doch schon allein das Überleben der PKK sei für diese „ein politischer Erfolg in diesem asymmetrischen Krieg, einem Guerilla-Krieg“ gewesen.
Die PKK hebe den Kampf nun auf eine rein politische Ebene.
„Das Ziel ist gleichgeblieben: Demokratie und Föderalisierung der Türkei, mit kulturellen Rechten für die Kurden und Kurdinnen.“ Den kurdischen Nationalstaat fordere die PKK schon seit 20 Jahren nicht mehr.
Am Freitag, nach der Waffenniederlegung, verlangte die Gruppierung Teilhabe am politischen Leben der Türkei.
Erdoğan unter Druck
Der türkische Langzeitmachthaber Erdoğan auf der anderen Seite steht aktuell schwer unter Druck. Die Inhaftierung seines wichtigsten politischen Rivalen, des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoğlu von der Oppositionspartei CHP, hat in diesem Jahr riesige Straßenproteste ausgelöst. 2024 verlor Erdoğans Partei AKP bei den Kommunalwahlen in mehreren Städten. Die türkische Lira ist abgestürzt.
2028 finden wieder Präsidentschaftswahlen statt. Zwar behauptet der 70-jährige Erdoğan, nicht mehr antreten zu wollen. Im Hintergrund sucht seine Partei aber durchaus nach Möglichkeiten, die eigentliche Grenze von zwei Amtszeiten übergehen zu können – wie schon einmal geschehen.
Dafür bräuchte die AKP die Unterstützung der prokurdischen DEM, sagt Schmidinger: „Um die Verfassung zu ändern oder für eine frühzeitige Auflösung des Parlaments. Das dürfte von AKP-Seite ein Hauptargument sein, warum man überhaupt von einem Friedensprozess spricht.“
Könnte Öcalan freikommen?
Aktuell wird gemutmaßt, dass Öcalan – der eigentlich eine lebenslängliche Haftstrafe absitzt – freikommen könnte, wie seine Anhänger das schon lange fordern. „Sollte es tatsächlich zu einem Friedensprozess kommen, mit Verhandlungen, wäre das sicher irgendwann Thema“, sagt der Experte, hält das aber nicht für den nächsten Schritt. Sondern? „Politische Gefangene freizulassen, die nicht bewaffnet gekämpft haben.“
Noch gebe es aber gar keinen realen Waffenstillstand, sagt Schmidinger: „Die PKK hat ihre Angriffe auf die Türkei eingestellt. Die Türkei ihre auf PKK-Kämpfer nicht.“ Die Waffenniederlegung sei symbolisch, wenn auch „enorm wichtig“. Jetzt sei die Türkei am Zug, etwas zu tun – „etwa, die Angriffe ebenfalls einzustellen und in echte Verhandlungen einzutreten. “
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