Von Heinrich VIII. zu Charles III.
„Du krönst das Jahr mit deiner Güte und deine Wolken lassen Fülle regnen“, so lautete eine Passage eines durchaus historisch zu nennenden ökumenischen Gebetes: Unter den weltberühmten Fresken Michelangelos und vor dem Hintergrund von dessen „Jüngstem Gericht“ in der Sixtinischen Kapelle saßen Donnerstagmittag „Hausherr“ Papst Leo XIV. sowie der englische König Charles III., seines Zeichens weltliches Oberhaupt der anglikanischen Kirche, gemeinsam mit Königin Camilla.
Als geistlicher Vertreter der Anglikaner war der Erzbischof von York, Stephen Cottrell, anwesend; das geistliche Oberhaupt ist der Erzbischof von Canterbury – die erst kürzlich in diese Funktion gewählte Sarah Mullally wird aber erst im kommenden Jahr in ihr Amt eingeführt.
Dergleichen gab es noch nie seit der Loslösung der englischen Kirche von Rom unter Heinrich VIII. im Jahr 1531 – nachdem Papst Clemens VII. sich geweigert hatte, die Ehe des Königs mit Katharina von Aragon zu annullieren (Heinrich heiratete dann Anne Boleyn, die er 1536 hinrichten ließ).
Ambrosius und Newman
Die Texte des Gebetes stammten übrigens von Ambrosius von Mailand (339–397), einem der vier katholischen Kirchenväter, sowie von John Henry Newman (1801–1890), ursprünglich Anglikaner, 1845 zum Katholizismus konvertiert, später Kardinal, von Papst Franziskus heiliggesprochen und mit 1. November von Papst Leo zum Kirchenlehrer erhoben.
Charles wollte übrigens bereits vor 40 Jahren, damals Prinz von Wales, bei einem Vatikanbesuch an einer Messe mit Papst Johannes Paul II. in dessen Privatkapelle teilnehmen. Doch seine Mutter, Königin Elizabeth II., verbot ihm das, weil sie die Zeit noch nicht reif dafür hielt.
Am Nachmittag fand dann noch eine weitere symbolische Geste im Sinne einer Annäherung der beiden Kirchen statt. In der päpstlichen Basilika Sankt Paul vor den Mauern (errichtet über dem vermuteten Grab des heiligen Paulus – wie der Petersdom über jenem Petri) verliehen Papst und König einander bisher nicht bestehende Ehrentitel: Leo XIV. ist nun Päpstlicher Mitbruder (Konfrater) der Sankt-Georgs-Kapelle in Schloss Windsor; Charles III. darf sich nunmehr Königlicher Konfrater von Sankt Paul vor den Mauern nennen.
Ein Stuhl für den König
Dabei nahm Charles auch einen eigenen Stuhl in Besitz. Das hölzerne Sitzmöbel trägt das Wappen des Monarchen und bleibt als Teil des Chorgestühls der Kirche zur zukünftigen Nutzung durch den König und seine Nachfolger erhalten. Vor der Verleihung beteten Charles und Camilla am Grab des Apostels Paulus unter dem Hochaltar.
Sankt Paul vor den Mauern ist für den Dialog von Katholiken und Anglikanern auch historisch bedeutsam: 1966 vereinbarten Papst Paul VI. und der Erzbischof von Canterbury, Michael Ramsey, dort erstmals seit der Reformation, den interkonfessionellen Dialog aufzunehmen.
Berühmt ist die Kirche unter anderem auch für die Medaillons sämtlicher Päpste bzw. Bischöfe von Rom nach kirchenamtlicher Zählung von Petrus bis zum aktuellen Pontifex, dessen Bild beleuchtet ist. Von Leo gibt es indes noch kein Porträt, der Platz ist aber bereits angestrahlt.
Vor den geistlichen Zeremonien waren Charles und Camilla mit Leo zu einem Privatgespräch im Vatikan zusammengetroffen, der König traf dann auch noch Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, die Nummer zwei im Vatikan – die Königin besichtigte derweil die Paulinische Kapelle im Apostolischen Palast.
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