Ohne Steinmeier: Präsidentendelegation in Borodjanka
Präsidenten Polens und der baltischen Staaten haben am Mittwoch die schwer vom Krieg gezeichnete ukrainische Stadt Borodjanka unweit von Kiew besucht. Die Stadt sei "durchdrungen von Schmerz und Leid", sagte der litauische Staatschef Gitanas Nauseda. "Es ist schwer zu glauben, dass solche Kriegsgräuel im Europa des 21. Jahrhunderts verübt werden können, aber das ist die Realität." Es sei ein Krieg, "den wir gewinnen müssen", betonte er.
In Borodjanka "wurden ukrainische Zivilisten ermordet und gefoltert und Wohnhäuser und andere zivile Infrastruktur bombardiert", sagte der litauische Präsident. Polen hatte zuvor bekannt gegeben, dass Nauseda und seine Kollegen - der polnische Präsident Andrzej Duda, Alar Karis aus Estland und Egils Levits aus Lettland - in der polnischen Stadt Rzeszow nahe der ukrainischen Grenze zusammengekommen waren, bevor sie in einen Zug nach Kiew stiegen.
Später veröffentlichte das polnische Präsidialamt auf Twitter ein Foto vom Treffen der Staatschefs mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Die Präsidenten wollten mit ihrem Besuch ihre Solidarität mit Selenskyj und seinem Land zeigen. Die Gespräche würden sich darauf konzentrieren, wie die Zivilbevölkerung und das Militär in der Ukraine unterstützt werden könnten, hieß es. Außerdem werde es um die Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen durch die russischen Truppen gehen.
"Unsere Länder zeigen auf diese Weise ihre Unterstützung für die Ukraine und Präsident Selenskyj", teilte ein Berater Dudas auf Twitter mit. Auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte sich der Reise anschließen wollen, allerdings lehnte die Ukraine seine Visite ab. Die deutsche Regierung reagierte auf die Absage verwundert, Steinmeier zeigte sich enttäuscht. Der langjährige frühere Außenminister (2005-09 und 2013-17) wird wegen seiner Russland-Politik kritisiert, und hat nach Beginn der russischen Aggression gegenüber der Ukraine öffentlich Fehler eingeräumt. In der Ukraine ist er weiterhin äußerst unbeliebt.
Der frühere Box-Weltmeister Wladimir Klitschko setzt auf eine spätere Reise des deutschen Bundespräsidenten in das Land. "Ich hoffe, dass der Besuch des Bundespräsidenten in Kiew nur aufgeschoben ist und in den kommenden Wochen nachgeholt werden kann", sagte der Bruder des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko am Dienstagabend der "Bild"-Zeitung. "Ich halte es für dringend erforderlich, dass wir als Ukraine weiterhin Brücken nach Deutschland bauen", betonte Klitschko. "Deutschland ist Partner Nummer eins bei der finanziellen Hilfe für die Ukraine, leistet humanitäre Unterstützung, hilft massiv Flüchtlingen und schickt immer mehr Waffen, auch wenn wir davon mehr brauchen", fügte er hinzu. Wladimir Klitschko sagte, Steinmeier habe in der Vergangenheit "viele Fehler" gemacht, die der Ukraine "massiv geschadet" hätten. Diese habe Steinmeier aber eingestanden und sich entschuldigt.
In jüngster Zeit sind bereits zahlreiche Staats- und Regierungschefs aus der Europäischen Union nach Kiew gereist, darunter am vergangenen Wochenende auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Außenbeauftragter Josep Borrell hatten kürzlich die Ukraine besucht.
Kommentare