"Ohne Russland kein Ende der Krise"
Russland hat seine Forderung nach Waffenruhe in der Ostukraine bekräftigt. Die Ukraine müsse den ersten Schritt tun und ihren Militäreinsatz mit Panzerfahrzeugen und Artillerie beenden, um einen Dialog in den Gebieten Donezk und Luhansk zu ermöglichen. Das sagte die Chefin des russischen Föderationsrates, Valentina Matwijenko, am Samstagabend im russischen Staatsfernsehen. "Eine militärische Lösung des Konflikts im Südosten der Ukraine gibt es nicht und kann es nicht geben", sagte die Politikerin. "Sobald in Kiew das Kommando gegeben wird, das Feuer einzustellen und die Strafaktion gegen die friedlichen Bürger im Südosten zu beenden, ist Russland bereit, alles dafür zu tun, damit auch die andere Seite ihre Waffen niederlegt und sich an den Verhandlungstisch setzt", sagte Matwijenko.
Dass auch die Separatisten eine Waffenruhe in Betracht ziehen, danach sieht es zurzeit jedenfalls nicht aus: Am Samstag und Sonntag griffen sie offenbar den internationalen Flughafen von Luhansk an, der als eine der wenigen Einrichtungen in der ostukrainischen Region unter Kontrolle der ukrainischen Streitkräfte steht. "Sie versuchen offensichtlich, das Gebäude für die Stromversorgung des Airports zu zerstören", sagte einer der Soldaten, die den Flughafen verteidigen.
Nach Europa
Dass die Ukraine sich à la longue in der EU sieht, davon ist man in Moskau wenig begeistert: Die Antrittsrede des neuen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, der einen Westkurs und eine enge Partnerschaft mit der EU und den USA ankündigte, kommentierte Matwijenko abschätzig. "Das sind alles nicht mehr als Illusionen von Herrn Poroschenko. Die neuen Machthaber in der Ukraine sollten den gesunden Menschenverstand einsetzen. Ohne Russland wird dieses Land nicht aus der politischen und nicht aus der wirtschaftlichen Krise kommen", sagte Matwijenko.
Poroschenko hatte am Samstag bei seiner Amtseinführung erklärt: "Es ist die Zeit gekommen, eine neue und moderne Ukraine zu errichten." Niemand habe das Recht, die Ukraine auf ihrem Weg in die EU zu stören, sagte der Milliardär angesichts von Versuchen Russlands, den Westkurs der Ex-Sowjetrepublik zu bremsen. "Die Rückkehr der Ukraine zu ihrem natürlichen, europäischen Zustand war der Traum von vielen Generationen", sagte Poroschenko.
Nach seinem Amtseid kündigte der Oligarch an, alles für die Einheit und Freiheit des Landes zu tun. Poroschenko betonte, dass er die von Russland einverleibte Schwarzmeerhalbinsel Krim weiter als Teil der Ukraine ansehe. "Russland okkupierte die Krim, die ukrainisch war, ist und weiter sein wird", sagte er. Das habe er auch dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Vortag bei einem Treffen in Frankreich gesagt.
Bei einer Reise in das Krisengebiet will Poroschenko den Dialog suchen. Eine Föderalisierung des Landes, wie sie prorussische Separatisten vorschlagen, lehnte Poroschenko in seiner Rede ausdrücklich ab. Allerdings wolle er der Region Donezk einen "Plan zur Dezentralisierung der Machtbefugnisse" vorstellen und den Menschen das Recht garantieren, die russische Sprache zu sprechen. Symbolisch wechselte er in seiner Antrittsrede ins Russische und wandte sich unmittelbar an seine Landsleute im Osten.
Die USA erhöhten unterdessen ihre Hilfen für die Ukraine, Georgien und die Republik Moldau symbolisch. Vizepräsident Biden kündigte laut einer Erklärung des Weißen Hauses am Samstag in Kiew an, Washington gebe der Ukraine zusätzlich 48 Millionen Dollar (rund 35 Millionen Euro). Damit greifen die USA dem Land mit 184 Millionen Dollar in diesem Jahr unter die Arme.
Kurz vor Ablauf eines russischen Ultimatums zu Gaslieferungen an die Ukraine wollen die beiden Nachbarländer ihre Verhandlungen zum Energiepreis fortsetzen. An den Gesprächen am Montag in Brüssel werde auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger teilnehmen, teilte das russische Energieministerium am Sonntag mit.
Russland hat gedroht, der Ukraine den Gashahn zuzudrehen, sollte die Regierung in Kiew ausstehende Rechnungen nicht bis Dienstag beglichen haben. Ein solcher Schritt hätte vermutlich auch Folgen für die Energieversorgung der Europäische Union. Die EU-Staaten decken rund ein Drittel ihres Gas- und Ölverbrauchs mit Lieferungen aus Russland, rund die Hälfte davon strömt durch Pipelines durch die Ukraine.
Die beiden Länder sind uneins, wie viel die staatliche ukrainische Gasgesellschaft Naftogaz dem staatlichen russischen Monopolisten Gazprom für Lieferungen schuldet und wie hoch der künftige Gaspreis sein soll. Naftogaz beziffert die Schulden von 2013 bis zum 1. April 2014 auf 2,2 Milliarden Dollar (1,61 Mrd. Euro). In der vergangenen Woche hat die Ukraine bereits 786 Millionen Dollar beglichen. Russland geht hingegen von insgesamt 4,46 Milliarden Dollar aus. Weitere Gespräche hatten zu Wochenbeginn in Berlin keine Einigung gebracht.
Die Ukraine will eine erneute Preissenkung auf 268,50 Dollar je Kubikmeter Gas erreichen. Diesen Preis hatte sie zwischen Jänner und März zahlen müssen. Es handelte sich um ein Zugeständnis der russischen Regierung, nachdem der damalige ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch von einem Assoziierungsabkommen mit der EU abgerückt war. Nach dem Sturz Janukowitschs erhöhte Russland den Preis auf 485 Dollar. Die meisten europäischen Länder zahlen zwischen 300 und 400 Dollar.
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