Slowenische Präsidentin: "Österreich hinter Kosovo, Indien, Dominikanischer Republik"

Slowenische Präsidentin: "Österreich hinter Kosovo, Indien, Dominikanischer Republik"
Nataša Pirc Musar will "keine weitere Sommersaison, in der die Menschen in der Blechschlange rösten".

Die slowenische Präsidentin Nataša Pirc Musar warnt Österreich davor, die Geduld ihres Landes im Grenzkontrollstreit weiter zu strapazieren. "Wenn wir uns nicht bald verständigen, befürchte ich, dass die erste Maßnahme eine Mitteilung an die EU-Kommission und entsprechende weitere Schritte innerhalb der Brüsseler Verwaltung sein werden", sagte Pirc Musar im APA-Interview. Nach acht Jahren wiederholter Verlängerungen habe Wien "überhaupt kein Argument" für die Grenzkontrollen.

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Slowenien habe in den vergangenen Jahren gezeigt, "dass es geduldig sein kann und die Lösung von Problemen auf andere Art und Weise erreichen möchte", betonte Pirc Musar. "16 Mal wurde das verlängert, jedes halbe Jahr, und wir wissen alle, dass Österreich überhaupt kein Argument für die Verlängerung dieser Grenzkontrollen hat", kritisierte Pirc Musar.

"Als Juristin traurig"

"Als Juristin bin ich traurig, dass Österreich die europäische Rechtsordnung in diesem Punkt nicht respektiert", sagte die Rechtsanwältin. "Ich will keine weitere Sommersaison, in der die Menschen in der Blechschlange rösten, obwohl Slowenien und Österreich beide im Schengenraum sind und man über die Grenze brausen sollte", sagte die passionierte Motorradfahrerin. Den Kampf gegen illegale Migration könne man "mit weniger einschneidenden Maßnahmen" führen, beteuerte sie.

Pirc Musar betonte zugleich, dass sie Österreich als "befreundetes Land" ansehe. Wie schon zuvor im Gespräch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen warb sie für eine Weiterentwicklung der Rechte der slowenischen Minderheit in Österreich. Als großes Anliegen hob sie Klimaschutz hervor. "Wir müssen jeden Tag aufs Neue und immer lauter auf die Klimaveränderungen hinweisen, weil es nicht gut um unseren Planeten steht, den einzigen, den wir haben."

Keine Alternative sieht Pirc Musar zur Nutzung der Atomkraft durch ihr Land. "Wir müssen realistisch sein. Derzeit kann Slowenien ohne Atomkraftwerk im Energiebereich nicht überleben und das ist ein Faktum", sagte sie. Das AKW Krško produziere nämlich ein Drittel des slowenischen Strombedarfs. Ein weiteres Drittel komme aus dem Kohlekraftwerk Šoštanj, das aus Klimaschutzgründen abgeschaltet werden müsse.

Die Entscheidung über den Bau eines neuen Reaktorblocks in Krško werde wohl noch Jahre dauern, so Pirc Musar, die im Bereich der erneuerbaren Energien auch auf technologische Weiterentwicklung hofft. So könnten dezentrale Speicherlösungen die flächendeckende Versorgung von Privathaushalten mit Sonnenkraft ermöglichen.

Österreich "schwarzer Fleck"

Kein Blatt vor den Mund nahm sich die seit Dezember amtierende slowenische Präsidentin, was ihr Leibthema politische Transparenz betrifft. So bekräftigte sie ihre vor Jahren geäußerte Einschätzung, dass Österreich diesbezüglich hinter Ländern wie dem Kosovo, Serbien, Indien oder der Dominikanischen Republik hinterherhinke und ein "schwarzer Fleck" auf der europäischen Landkarte sei.

"So viel ich weiß, haben Sie immer noch kein modernisiertes Gesetz über den Zugang zu öffentlichen Informationen. Diesbezüglich kann ich meinen Standpunkt leider nicht ändern", sagte die langjährige slowenische Informationsbeauftragte.

Die frühere Journalistin hatte sich als beharrliche Kämpferin für die Durchsetzung des slowenischen Transparenzgesetzes große Anerkennung erworben und damit den Grundstein für ihre erfolgreiche Präsidentschaftskampagne als politische Quereinsteigerin gelegt. "Wir haben sehr viel auf Grundlage dieses Gesetzes entdeckt", verwies Pirc Musar auf Affären um den Ankauf von Impfstoffen oder Militärfahrzeugen. Nicht immer gehe es dabei um Steuergeld. "So manche Entscheidung ist nicht mit Geldeinsatz verbunden, kann aber auf Grundlage dieses Gesetzes ins Licht der Öffentlichkeit kommen. Dann wird darüber diskutiert, und daran ist überhaupt nichts falsch", sagte Pirc Musar mit Blick auf das seit 20 Jahren geltende Transparenzgesetz.

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