Wahl der neuen AfD-Spitze: Kandidat unter Antisemitismus-Verdacht

Wahl der neuen AfD-Spitze: Kandidat unter Antisemitismus-Verdacht
Der umstrittene Wolfgang Gedeon kandidiert für den AfD-Chefposen. Parteichef Alexander Gauland hält sich erneute Kandidatur doch offen.

Die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) wählt am Wochenende ihre Vorsitzenden neu. Für die zwei Posten haben sich im Vorfeld mehrere Kandidaten gemeldet, andere halten sich eine kurzfristige Bewerbung noch offen. Spannend wird vor allem die Frage, ob der sächsische Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla, der vom rechten "Flügel" unterstützt wird, als Nachfolger für Ko-Parteichef Alexander Gauland gewählt werden wird.

Auch der wegen Antisemitismusvorwürfen vorbelastete Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon hat seine Kandidatur bekanntgegeben. Das teilte er am Donnerstag auf der entsprechenden Online-Seite der AfD mit. Ende Oktober war ein Parteiausschlussverfahren gegen den umstrittenen baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Gedeon erneut gescheitert.

Der Landesvorstand hatte auch schon den Parteiausschluss gegen Gedeon angestrebt - das Landesschiedsgericht im Südwesten Deutschlands wies den Antrag aber unter Verweis auf formale Gründe zurück. Gedeon sitzt derzeit als fraktionsloser Abgeordneter im Parlament und löst mit seinen Redebeiträgen immer wieder Empörung aus. Er selbst weist die Antisemitismus-Vorwürfe zurück.

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Wolfgang Gedeon hat seine Kandidatur bekannt gegeben.

Gauland hält sich erneute Kandidatur doch offen

Kurz vor Beginn des Parteitages hält sich Gauland eine erneute Kandidatur für sein Amt doch noch offen. Wenn nicht sein Ko-Vorsitzender Jörg Meuthen und der Chrupalla als neue Doppelspitze bestimmt würden, behalte er "sich eine Kandidatur für den zweiten Sprecherposten vor", sagte Gauland dem Focus.

Noch vor einer Woche hatte der 78-Jährige vor Journalisten gesagt: "Unter normalen Umständen glaube ich nicht, dass ich nochmal antrete." Die Parteitagsdynamik könne dies aber erfordern.

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Alexander Gauland will auf eine erneute Kandidatur verzichten.

Chrupalla ist mit starken rechten "Flügel" vernetzt

Der 44-jährige Malermeister kommt aus dem ostdeutschen Bundesland Sachsen. Er gilt als Kompromisskandidat: Der Bundestagsabgeordnete ist bestens mit dem im Osten starken rechten "Flügel" vernetzt, wird aber auch in den westlichen Landesverbänden akzeptiert. Inzwischen bestätigte Chrupalla entsprechende Medienberichte über seine Kandidatur.

Chrupalla ist kein "Flügel"-Mitglied, hat aber beste Kontakte zu dessen Vertretern, vor allem zum sächsischen AfD-Landeschef Jörg Urban. Von "Flügel"-Frontmann Björn Höcke sind ebenfalls keine Antipathien bekannt. Wohlwollend sieht ihn auch der Brandenburger Landeschef Andreas Kalbitz, der als eigentlicher "Flügel"-Stratege gilt.

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Tino Chrupalla könnte der Nachfolger werden

Chrupalla bezeichnet Klimawandel als "Hype"

Viel politische Erfahrung hat Chrupalla nicht. Als Jugendlicher war er für kurze Zeit in der Jungen Union, nach der Wende wählte er nach eigenen Angaben CDU und FDP. Doch habe ihn die "Arroganz" der etablierten Parteien gestört, die den Mittelstand zu wenig beachteten. Die Eurokrise habe ein "Umdenken" bei ihm ausgelöst: 2014 wählte er die gerade gegründete AfD, 2015 trat er in die Partei ein.

Im deutsche Bundestag ist Chrupalla Fraktionsvize und Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Den menschengemachten Klimawandel bezeichnet er als "Hype", er wettert gegen die Windkraft und die Grünen. Um die AfD auf 30 Prozent zu bringen, müsse sich die Partei "stärker auf die soziale Frage konzentrieren", sagte er kürzlich dem rechten Magazin "Compact".

Unterstützung von Alice Weidel

Vor allem Bundestags-Fraktionschefin Alice Weidel scheint auf ihn zu setzen - für Wahlkampfveranstaltungen mit Chrupalla kam sie im Sommer gleich mehrfach in dessen Heimatregion. Auch der frühere Chefstratege von US-Präsident Donald Trump, Steve Bannon, interessiert sich für den Mann aus Sachsen: Im Mai traf sich Bannon, der eine rechtspopulistische europäische "Bewegung" plant, mit Chrupalla in Berlin.

Weitere Kandidaten

Jörg Meuthen

Seit mehr als vier Jahren steht der gern konziliant auftretende Wirtschaftsprofessor an der Parteispitze, nun strebt er ein weiteres Mandat an. Der 58-Jährige rückte im Sommer 2015 vor, als Parteigründer Bernd Lucke geschasst wurde. Der Vater von fünf Kindern gibt sich bürgerlich-wirtschaftsliberal und schließt eine Zusammenarbeit mit dem Rechtsaußen Björn Höcke in der Parteispitze aus - doch wirkt dieses Bekenntnis wohlfeil, solange eine Kandidatur des umstrittenen Thüringer Landeschefs nicht ansteht. Im Europaparlament jedenfalls, dessen Mitglied er seit Ende 2017 ist, schloss sich Meuthen einem Bündnis an, zu dem unter anderen die fremdenfeindliche italienische Lega und der französische Rassemblement National (RN) gehören.

Gottfried Curio

Der promovierte Physiker und studierte Musiker kündigte seine Bewerbung am vergangenen Wochenende auf seinem YouTube-Kanal an. Seit 2017 ist der 59-jährige Berliner innenpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion und geriert sich bei seinen Auftritten im Parlament als Scharfmacher. Schon zuvor provozierte er im Berliner Abgeordnetenhaus, wenn er etwa verschleierte Musliminnen einen "schwarzen Sack" nannte, "einen Sack, der spricht". Seine überraschende Kandidatur begründete Curio unter anderem mit der Notwendigkeit, die Partei "wirksamer gegen die herrschende politische Verleumdung" zu verteidigen. Der gewandte Rhetoriker gilt zwar nicht als besonders gut vernetzt, könnte aber dennoch die Erfolgsaussichten von Chrupalla schmälern.

Nicole Höchst

Die 49-jährige Bundestagsabgeordnete aus Rheinland-Pfalz ist bundesweit bisher kaum in Erscheinung getreten. Die Lehrerin sitzt im Bundestagsausschuss für Familie, Senioren und Jugend und engagiert sich für das Thema Bildung. Für Aufsehen sorgte Höchst allerdings, als sie in einem Interview zu Jahresanfang Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Adolf Hitler verglich: Die Machtergreifung habe schon stattgefunden, "der Schnauzer trägt jetzt Raute", sagte die Mutter von vier Kindern. Nun erwägt Höchst, gegen Meuthen anzutreten. Das werde sie aber "erst am Parteitag" selbst entscheiden - abhängig von dort noch zu führenden Gesprächen mit verschiedenen Parteifreunden, sagte sie am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP.

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