Netanjahu bietet für Geiselrückkehr befristete Waffenruhe an

Netanyahu
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu bietet eine befristete Waffenruhe im Gazastreifen an, um die Rückkehr der dort noch festgehaltenen israelischen Geiseln zu ermöglichen.
Für die Befreiung der Geiseln sei er dazu bereit, sagte Netanjahu am Mittwochabend bei einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz. Hunderttausende Notleidende in Gaza müssen unterdessen weiter auf lebensrettende Hilfe warten. Laut UN stecken rund 100 Hilfs-Lkw weiter bei einem Grenzübergang fest.
20 Geiseln "sicher am Leben"
Von den noch immer von der Hamas in dem Palästinensergebiet festgehaltenen Geiseln seien 20 "sicher am Leben", erklärte Netanjahu zudem im TV. Gleichzeitig hielt er an dem kürzlich verkündeten Ziel fest, die vollständige Kontrolle über den Gazastreifen zu übernehmen. Am Ende des jüngst ausgeweiteten Militäreinsatzes in dem Palästinensergebiet werde "der gesamte Gazastreifen unter Kontrolle der israelischen Armee sein". Dabei müsse eine "humanitäre Krise" vermieden werden, damit Israel seine "volle Handlungsfreiheit" behalte, fügte der Regierungschef hinzu.
Die israelische Armee hatte ihre massiven Angriffe im Gazastreifen Mitte März nach einer zweimonatigen Waffenruhe wieder aufgenommen, am Wochenende wurde die Offensive ausgeweitet. Bis vor wenigen Tagen blockierte Israel zudem die Einfuhr jeglicher Hilfsgüter in das Gebiet. Die israelische Regierung wirft der Hamas jedoch vor, die Hilfsgüter weiterzuverkaufen, um ihre Kämpfer und Waffen zu finanzieren. Am Sonntag hob sie die Blockade auf Druck auch von Verbündeten hin auf.
Am zweiten Tag nach Ende der israelischen Blockade hätten 93 Lastwagen Hilfsgüter in den Gazastreifen geliefert, hieß es am Mittwoch von der für Palästinenser-Angelegenheiten zuständige israelische Behörde COGAT. Die humanitäre Hilfe umfasse Mehl, Babynahrung, medizinische Ausrüstung und Medikamente.
UN: Gaza-Hilfslieferungen noch immer nicht verteilt
"Bisher konnte keine der Lieferungen den Ladebereich von Kerem Shalom verlassen", betonte wiederum der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric, am Mittwoch in New York. Etwa 100 Lastwagen mit Hilfsgütern befänden sich seit teils knapp drei Tagen innerhalb des Gazastreifens bei dem Grenzübergang. Das Problem sei die von Israel vorgeschlagene Route für den Weitertransport der Güter.
Dujarric zufolge hatten die israelischen Streitkräfte sich verpflichtet, eine Straße von militärischen Aktivitäten auszunehmen, sodass die Lastwagen die Hilfe zu Verteilungszentren transportieren können. Das Risiko war den UN aber zu hoch: "Unsere Kollegen vor Ort waren der Meinung, dass die Straße zu überlastet und unsicher war, deshalb haben wir sie nicht genommen". Die Weltorganisation sieht angesichts der großen Not in dem Gebiet die akute Gefahr von gewaltsamen Plünderungen.
"Situation im Fluss"
Der Sprecher betonte, dass die Situation sich noch am Mittwoch ändern könnte. "Die Situation ist offensichtlich im Fluss." Die UN und Hilfsorganisationen warnen vor einer Hungersnot in dem Küstenstreifen. Während der Feuerpause Anfang des Jahres waren jeden Tag bis zu 600 Lastwagen mit Hilfsgütern über die Grenze in den Gazastreifen gefahren.
Palästinenser: Mehr als 60 Tote bei israelischen Angriffen
Nach Angriffen Israels im Gazastreifen ist die Zahl der Toten in dem umkämpften Küstengebiet palästinensischen Angaben zufolge weiter gestiegen. Seit der Nacht seien mindestens 62 Menschen getötet worden, teilte der von der Hamas kontrollierte Zivilschutz im Gazastreifen am Mittwoch mit. Laut palästinensischen Informationen wurden Dutzende Menschen bei den Angriffen verletzt. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Die israelische Armee teilte indes mit, ihre "Operationen gegen die terroristischen Organisationen im Gazastreifen" fortzusetzen.
Dabei seien im Laufe des vergangenen Tages mehr als 115 Ziele angegriffen worden. Unter den Zielen waren nach Armeeangaben Abschussrampen, militärische Einrichtungen, Tunnel, Terrorzellen, Terroristen und terroristische Infrastruktureinrichtungen. Auch diese Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Täglich Dutzende Tote gemeldet
In den vergangenen Tagen waren aus dem Küstengebiet täglich Dutzende Tote gemeldet worden. Israels Militär hatte vor wenigen Tagen eine neue Großoffensive im Gazastreifen gestartet.
Bezüglich der Hilfsgüter hieß es von der für Palästinenser-Angelegenheiten zuständige israelische Behörde COGAT, die humanitäre Hilfe umfasse Mehl, Babynahrung, medizinische Ausrüstung und Medikamente.
Österreich gegen Aufkündigung von EU-Assoziierungsabkommen
Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (Neos) sprach sich unterdessen gegen ein Aussetzen des Assoziierungsabkommens der EU mit Israel aus. Sie erklärte, dass Österreich Verständnis für eine Überprüfung des Abkommens habe. "Ja, wir haben uns diesem Vorstoß im Ziel angeschlossen, weil die Situation in Gaza wirklich unerträglich ist", sagte sie am Mittwoch in der Früh im Ö1-Morgenjournal. "Wogegen wir uns aber auch aussprechen, weil es da Vorstöße gab, ist, gänzlich dieses Abkommen zu suspendieren." Gerade in schwierigen Phasen sei der Dialog wichtig.
Die außenpolitische Sprecherin der SPÖ, Petra Bayr, betonte, dass Israel zwar das Recht habe, seine Bevölkerung gegen Attacken wie jene der Hamas zu schützen, dieses Selbstverteidigungsrecht aber dort ende, "wo es die Grenzen des internationalen Rechts überschreitet." SPÖ-Europasprecherin Pia Maria Wieninger ergänzte, dass "ein sofortiger Waffenstillstand, die bedingungslose Freilassung aller Geiseln sowie die sofortige Aufhebung der Blockade humanitärer Hilfe" zentrale Schritte seien, um den Weg zu einer politischen Lösung zu ebnen.
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