Nawalny-Sprecherin kurz vor geplanten Oppositionsprotesten inhaftiert

RUSSIA-POLITICS-OPPOSITION
Nach der Inhaftierung des Putin-Gegners Alexej Nawalny haben die russischen Behörden ihr Vorgehen gegen Mitarbeiter und Unterstützer des Oppositionellen massiv verschärft.

Nach der Inhaftierung des Putin-Gegners Alexej Nawalny haben die russischen Behörden ihr Vorgehen gegen Mitarbeiter und Unterstützer des Oppositionellen massiv verschärft. Nawalnys Pressesprecherin Kira Jarmysch wurde nach einem Protestaufruf die ganze Nacht von der Polizei festgehalten und fand sich am Freitag vor Gericht wieder, twitterte sie. Sie sei zu 9 Tagen Arrest verurteilt worden. Mehrere Koordinatoren von Regionalvertretungen Nawalnys kamen ebenfalls in Gewahrsam.

Darunter waren Koordinatoren in Wladiwostok, Krasnodar und Kaliningrad. In rund 70 russischen Städten sind an diesem Samstag Proteste geplant gegen die Inhaftierung Nawalnys und gegen Repressionen unter Langzeit-Präsident Wladimir Putin. Auch die EU und Österreich hatten Nawalnys Freilassung gefordert.

Angst vor Demos

"Wir wissen, dass der Kreml Massendemonstrationen fürchtet", sagte Leonid Wolkow, ein enger Vertrauter Nawalnys, der Nachrichtenagentur Reuters. Vor den Demonstrationen appellierte Wolkow auf YouTube an Nawalnys Anhänger, keine Angst zu haben.

Putins Sprecher Dmitri Peskow warnte vor der Teilnahme an nicht genehmigten Protesten. Die russischen Sicherheitsorgane kündigten an, alles dafür zu tun, um Demonstrationen zu verhindern. Demonstrationen werden in Russland bereits seit Monaten nicht mehr genehmigt - unter Verweis auf die Corona-Pandemie.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) kritisierte in einer Mitteilung den "Missbrauch von Corona-Maßnahmen", um das Recht auf Versammlungsfreiheit zu beschneiden. Mit den Festnahmen von Aktivisten und breiter Einschüchterung werde versucht, die Solidarität mit dem inhaftierten Putin-Gegner Nawalny zu verhindern.

Die Behörden wiesen Nawalnys Mitarbeiter Vladlen Los, einen Staatsbürger von Weißrussland, aus und verhängten bis 2023 eine Einreisesperre gegen ihn. Hochschulen drohten damit, Studenten wegen der Teilnahme an den Kundgebungen zu exmatrikulieren. Eltern könnten zur Rechenschaft gezogen werden, wenn ihre Kinder zu Protesten gingen, hieß es. Soziale Netzwerke wie Twitter, Facebook, VKontakte und TikTok erhielten Medien zufolge Aufforderungen, keine Protestaufrufe zu verbreiten. Es drohen hohe Strafen.

Verhaftet

Nawalny war nach seiner Rückkehr aus Deutschland nach Russland in einem umstrittenen Eilverfahren am Montag zu 30 Tagen Haft verurteilt worden. Ihm drohen zudem viele Jahre Gefängnis und mehrere Prozesse. Hinter dem Vorgehen der Justiz und hinter einem Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok vom 20. August sieht er ein "Killerkommando" des Inlandsgeheimdienstes FSB unter Putins Befehl. Putin und der FSB weisen die Anschuldigungen zurück. Die EU hat wegen des Anschlags Funktionäre in Russland mit Sanktionen belegt.

Ob die Rückkehr- und Proteststrategie des Nawalny-Lagers aufgeht, ist ungewiss. Umfragen zufolge stehen über 60 Prozent der Russen hinter Putin, während selbst regierungsunabhängige Meinungsforscher eine Zustimmung für Nawalny von höchstens 17 Prozent ermitteln. Ungewiss ist auch, wie groß der Zulauf bei den Kundgebungen am Samstag mitten im Winter und in der Corona-Pandemie sein wird - zumal unlängst Strafen für die Teilnahme an nicht genehmigten Protesten verschärft wurden.

In regierungsnahen Kreisen wird die Aussicht auf eine baldige Freilassung Nawalnys als gering eingestuft. Nawalny beginne, eine Bedrohung für Putin zu sein, sagte ein Insider. Deshalb werde er bis nach der Parlamentswahl im September im Gefängnis bleiben. Das Präsidialamt lehnte eine Stellungnahme ab. Zuvor hatte es die Darstellung, Putin fürchte Nawalny, als Unsinn bezeichnet.

Erneut verurteilte die EU die Festnahme Nawalnys und forderte, die Vergiftung des Oppositionellen zu untersuchen. EU-Ratspräsident Charles Michel erklärte auf Twitter, er habe in einem Telefongespräch mit Putin die Freilassung Nawalnys gefordert. "Russland muss dringend umfassende und transparente Ermittlungen des Mordanschlags auf ihn einleiten."

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