NATO droht Kreml bei Chemiewaffen-Einsatz mit "harten Konsequenzen"

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Bei der Zusammenkunft der NATO-Mitgliedsstaaten hat man sich auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt: Neben einer Neuorganisation an der Ostgrenze drohte man Russland im Falle eines Einsatzes von Massenvernichtungswaffen mit "harten Konsequenzen".

Einen Monat nach Beginn des Ukraine-Kriegs will der Westen bei drei Gipfeltreffen am Donnerstag seine Geschlossenheit gegenüber Russland demonstrieren. Die NATO kündigte zum Auftakt ihres Gipfels in Brüssel eine Neuorganisation an der östlichen Grenze des Bündnisses an. Von China wurde eine klare Positionierung gegen Russland gefordert. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij forderte in einer Videoschaltung mehr Hilfe für sein Land im Kampf gegen Russland.

Im Fall eines Einsatzes von Massenvernichtungswaffen drohte NATO Russland mit harten Konsequenzen. "Jegliche Verwendung chemischer oder biologischer Waffen durch Russland wäre inakzeptabel und würde schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen", heißt es in der Abschlusserklärung des Sondergipfels. Generalsekretär Jens Stoltenberg fügte anschließend hinzu, die Militärführung habe auch für das Bündnisgebiet die Abwehr gegen mögliche Angriffe mit chemischen, biologischen oder sogar Atomwaffen aktiviert. "Wir ergreifen Maßnahmen, um die Ukraine zu unterstützen, aber auch zum Selbstschutz", sagte Stoltenberg.

NATO Generalsekretär Jens Stoltenberg: Sicherheit gibt es nicht umsonst

"Neuaufstellung"

Es gehe um eine "langfristige Neuaufstellung", hatte Jens Stoltenberg zuvor gesagt. Die bereits zur Verstärkung entsandten Soldaten im östlichen Teil des Bündnisses sollten "so lange bleiben wie nötig", sagte Stoltenberg. Zusätzlich sollten vier neue Gefechtseinheiten nach Bulgarien, Rumänien, Ungarn und in die Slowakei entsandt werden. Er bekräftigte, dass die NATO "weder Soldaten noch Flugzeuge" in die Ukraine schicken werde.

"Die NATO und ihre Partner sind sich einig, Russland zu verurteilen und die Ukraine zu unterstützen", betonte der kanadische Premierminister Justin Trudeau. Sein britischer Amtskollege Boris Johnson plädierte für weitere Sanktionen. "Je härter unsere Sanktionen sind, desto besser können wir den Ukrainern helfen, und desto schneller wird es vorbei sein", sagte Johnson. "Putin hat die rote Linie zur Barbarei längst überschritten", betonte er.

"Niemand kann sich mehr sicher fühlen. Vielleicht ist Polen als nächstes dran, vielleicht die baltischen Staaten", sagte der litauische Präsident Gitanas Nauseda. Die estnische Regierungschefin Kaja Kallas betonte, dass sich ihr Land nicht einschüchtern lassen wolle. "Putin will auch uns Angst machen, damit wir der Ukraine nicht helfen, aber wir werden nicht in diese Falle gehen", sagte sie. "Wir müssen den Kriegsverbrecher stoppen", fügte sie hinzu.

Russland für NATO-Chef "Keine akute Gefahr"

Russland stellt nach Ansicht von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg derzeit keine akute Gefahr für Alliierte dar. "Wir sind das stärkste Bündnis der Welt", sagte der Norweger am Rande des Gipfels. "Solange wir zusammenstehen, sind wir sicher." Gleichzeitig warnte er vor einem Einsatz von Chemiewaffen in der Ukraine. Die chemischen Kampfstoffe könnten sich dann auch auf NATO-Territorium ausbreiten, sagte der Norweger.

NATO Secretary General Stoltenberg attends news conference before NATO summit, in Brussels

Der norwegische NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg.

Es gebe immer das Risiko der Kontamination, der Ausbreitung über größere Gebiete. Wie die NATO auf einen solchen Fall reagieren würde, sagte Stoltenberg nicht. Zugleich machte er deutlich, dass Russland eine entschiedene Reaktion fürchten müsste. "Die NATO ist immer bereit (...), auf jegliche Art von Angriff zu reagieren", sagte er. Jeder Einsatz chemischer Waffen würde die Art des Konflikts grundlegend verändern. Er wäre eine "eklatante Verletzung des Völkerrechts" und würde "weitreichende und schwerwiegende Folgen" haben, sagte er.

Stoltenberg machte erneut deutlich, dass die NATO trotz ihrer militärischen Überlegenheit ein militärisches Eingreifen in den Ukraine-Krieg ausschließt. "Das tun wir, weil wir die Verantwortung dafür tragen, dass dieser Konflikt nicht über die Ukraine hinaus eskaliert", erklärte er. Dies würde "noch mehr Leid, noch mehr Tote, noch mehr Zerstörung verursachen".

NATO fordert von China Positionierung

Die NATO forderte von China eine klare Verurteilung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. China wies Vorwürfe, wonach die Regierung in Peking Russland im Ukraine-Krieg unterstützt, am Donnerstag zurück. "China vorzuwerfen, falsche Informationen über die Ukraine zu verbreiten, stellt selbst eine Verbreitung von Desinformation dar", sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums in Peking. "Wir waren immer der Auffassung, dass die Ukraine eine Brücke zwischen Ost und West werden und nicht an der Front eines Spiels zwischen Supermächten stehen sollte", sagte der Sprecher weiter.

Stoltenberg hatte China am Mittwoch vorgeworfen, Russland im Ukraine-Krieg mit "himmelschreienden Lügen" zu unterstützen. "Die Verbündeten sind besorgt, dass China die russische Invasion auch mit Material unterstützen könnte", sagte Stoltenberg vor dem Sondergipfel am Donnerstag.

Selenskij fordert weiter NATO-Hilfe

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij hatte sich zuvor mit einer dramatischen Videobotschaft an die Welt gewandt und mehr Hilfe für sein Land im Kampf gegen Russland gefordert. "Kommt aus euren Büros, euren Häusern, euren Schulen und Universitäten, im Namen des Friedens, kommt mit ukrainischen Symbolen, um die Ukraine zu unterstützen, um die Freiheit zu unterstützen, um das Leben zu unterstützen", sagte er Donnerstagfrüh.

Selenskij forderte erneut eine Flugverbotszone und Kampfflugzeuge. Etliche westliche Staaten, darunter Deutschland und Großbritannien, haben der Ukraine Tausende neue Panzer- und Flugabwehrraketen geliefert oder wollen dies tun.

Rund um den NATO-Gipfel wurde dann klar, dass die USA und ihre Verbündeten ihre Waffenlieferungen an die Ukraine ausweiten wollen: Nach Angaben einer hochrangigen US-Vertreterin sprachen die Mitgliedstaaten am Donnerstag erstmals über die Lieferung von Anti-Schiffs-Raketen an Kiew. Es müssten aber noch technische Details geklärt werden.

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