Auch aus dem Libanon wird gefeuert
Die Zahl der Toten im Gazastreifen klettert immer weiter: Nach palästinensischen Angaben gibt es schon mindestens 100 Opfer. 680 Menschen seien seit Beginn der Offensive verletzt worden, teilte der Sprecher der örtlichen Rettungsdienste mit. Und die israelischen Streitkräfte setzten in der Nacht ihre Luftangriffe auf den Gazastreifen fort. Auch die radikalen Palästinenser feuerten weiter, wieder heulten in Israel die Sirenen.
Am Freitag beschossen sie erneut den Großraum Tel Aviv mit Raketen, über Lautsprecher wurden die Menschen aufgerufen, in Schutzräume zu gehen. Es waren mehrere dumpfe Explosionen zu hören. Die Armee teilte mit, drei Raketen seien über dem Großraum der Küstenmetropole abgefangen worden. Der bewaffnete Hamas-Flügel teilte über Twitter mit, die Organisation habe den internationalen Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv mit vier Raketen des Typs M-75 angegriffen. Die israelische Nachrichtenseite ynet meldete zudem, der Flugverkehr sei während des Raketenalarms gestoppt worden. Über Einschläge auf dem Gelände war zunächst aber nichts bekannt.
Das Militärkommando hat aber weitere Raketenangriffe auf den Flughafen angekündigt und Airlines vor Flügen dorthin gewarnt. Die Hamas begründete dies am Freitag damit, dass auf dem Ben-Gurion-Flughafen auch eine Luftwaffenbasis sei. Auch die AUA fliegt nach Tel Aviv. Die Flüge würden fortgesetzt, allerdings werde die Situation regelmäßig neu bewertet, hatte ein Airline-Sprecher am Donnerstag gegenüber der APA gesagt.
Raketen aus dem Libanon
Erstmals sind im jüngsten Nahost-Konflikt auch aus dem Libanon Geschosse auf Israel abgefeuert worden. Aus dem Südwesten kamen nach Angaben libanesischer Sicherheitskreise zwei Raketen nach Israel. Wie die staatliche Nachrichtenagentur NNA berichtete, wurden sie am Freitagmorgen aus dem Umland der grenznahen Ortschaft Mari abgeschossen. Eine dritte Rakete sei wegen eines technischen Defektes auf der Abschussrampe explodiert. Zwei weitere Geschosse seien von der libanesischen Armee entschärft worden. Eine der Raketen war nach Angaben der israelischen Armee in der Nähe der Grenzstadt Metullah gefunden worden. Nach dem Angriff habe Israel 25 Mörser auf Außenbezirke der Ortschaft Kfar Shuba gefeuert. Die libanesische Polizei hat inzwischen einen Verdächtigen festgenommen. Wie am Freitag aus Sicherheitskreisen verlautete, gestand der Mann die Tat, bei der er selbst verletzt wurde. Der mutmaßliche Täter soll Verbindungen zum sunnitischen Terrornetzwerk Al-Kaida und zwei palästinensische Helfer gehabt haben.
In Gaza ist keine Option vom Tisch
Israel wird nach Worten seines Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu außerdem das militärische Vorgehen gegen Ziele im Gazastreifen so lange fortsetzen, bis von dort keine Raketen mehr auf Israel abgeschossen werden. "Wir schließen keine Option aus", sagte Netanyahu am Freitagabend auf einer Pressekonferenz in Tel Aviv.
Damit blieb weiter offen, ob Israel seine Luftangriffe gegen die islamistischen Hamas-Milizen in den nächsten Tagen zu einer Bodenoffensive ausweiten wird.
Vermittlungsangebot
US-Präsident Barack Obama hatte Israel zuvor angeboten, bei Verhandlungen über eine Feuerpause im Konflikt mit den Palästinensern zu vermitteln. "Die USA sind bereit, eine Einstellung der Feindseligkeiten zu unterstützen", habe Obama dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu in einem Telefonat gesagt, teilte das Weiße Haus am Donnerstag (Ortszeit) mit.
Das umfasse auch eine Rückkehr zu dem Waffenstillstandsabkommen vom November 2012. Obama habe sich besorgt geäußert, dass die Kämpfe weiter eskalieren könnten. Zugleich verurteilte der US-Präsident abermals scharf den anhaltenden Raketenbeschuss auf Israel "durch die Hamas und andere Terrororganisationen im Gazastreifen".
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte unterdessen vor einem Kollaps der medizinischen Versorgung im Gazastreifen und im Westjordanland gewarnt. Es mangle in den Palästinensergebieten an Medikamenten ebenso wie an Treibstoff für die Generatoren der Krankenhäuser, erklärte die WHO. Bei der Eskalation der Gewalt zwischen Israel und der Hamas seien unter anderen vier Kliniken beschädigt worden.
UNO-Rüge für Luftangriffe auf Wohnhäuser im Gazastreifen
Israel verstößt mit den Angriffen auf Wohnhäuser im Gazastreifen nach Einschätzung der UNO womöglich gegen internationales Recht. Berichte legten nahe, dass viele der zivilen Opfer, unter ihnen Kinder, bei der Bombardierung der Häuser getötet worden seien, sagte die Sprecherin des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, Ravina Shamdasani, am Freitag in Genf. Daher sei es fraglich, ob die Luftangriffe Israels im Einklang stünden mit dem Kriegsrecht und den Menschenrechten. Häuser seien keine "legitimen militärischen Ziele", falls sie auch für zivile Zwecke genutzt würden, betonte Shamdasani. In jedem Fall müssten Vorkehrungen getroffen werden, um unschuldige Opfer zu verhindern. Shamdasani rief auch die bewaffneten Gruppen auf Seiten der Palästinenser auf, ihre Angriffe auf Wohngebiete in Israel einzustellen.
Wir fahren nur noch bis Ashkalon. Nach Sderot geht es weiter mit dem Bus", erklärt die nette Frau am Fahrkartenschalter. Auf dem Bahnsteig verkündet der Lautsprecher neben den üblichen Durchsagen auch die Vorschriften für Fahrgäste, sollte der Zug durch ein Gebiet fahren, in dem gerade die Alarmsirenen jaulen. Über Zuglautsprecher werden die Reisenden informiert. Und je näher der Süden rückt, desto häufiger – Alarm! "Während der Zug seine Fahrt verlangsamt, knien sich die Fahrgäste auf den Boden zwischen den Sitzen und verschränken die Arme über dem Kopf."
"Gewusst wie"
Ein junger Typ mit Rasta-Locken, Gitarre und Rucksack grinst: "Wie in Indien, da sind die Züge so voll, da fahren die Leute immer so." Joel heißt er, "wie Billy". Er studiert im Sapir-College neben Sderot Tontechnik. Trotz Semesterferien zieht es ihn in den Süden. "Mit Alarm kenn ich mich aus. In Panik gerate ich schon lang nicht mehr. Da hab ich mein Zimmer, und das Leben ist für jemanden wie mich preiswert. Nur eben gewusst wie."
"Billy" Joel klärt auf: Es gibt in diesen harten Zeiten viele Ermäßigungen für Südbewohner. Eine Karte für alle Filme im neuen CinePlexx. Es ist mit Betonwänden vor Raketen geschützter als die meisten Wohnhäuser. Und die Pizza! "Bis zu 20 Prozent weniger bei Vorlage eines Ausweises mit Süd-Adresse."
Die unerwartete Information ist noch unverdaut, da mischt sich eine junge Mutter ein. Mali war mit ihrem vierjährigen Sohn bei der Schwester in Holon neben Tel Aviv. Raketen-Urlaub. Auf Joels Preisliste reagiert sie sauer: "Der spart sich mit seinem Rasta-Look sogar das Kämmen, hat aber nicht die geringste Ahnung, was es heißt, mit Kindern ständig vom Alarm aufgeschreckt zu werden."
Malis kleiner Sohn Dudi wollte in Holon mit seiner Cousine nicht auf den Spielplatz. In Sderot stehen dort breite Beton-Rohre: Raketenschutz auf die Schnelle. Computerspiele auf dem Sofa zu Hause sind gewaltfreier als die Schaukeln in Sderot.
"Meinem Vater zerriss ein Splitter mit über 70 die linke Wade", so Mali, "auf dem Markt beim Einkauf. 2004 war das. Heute ist der Markt überdacht." Der Mitt-Dreißiger mit Aktenkoffer und iPad wirft ein: "Meine Nachbarin wurde keine 50. Der zerriss es die Schlagader." Am Bahnhof in Ashkalon steht sein Auto. Levi heißt er. Er fährt Mali, Dudi und mich nach Sderot. "In schlimmen Zeiten muss man zusammenhalten", sagt er, "sogar die Tel Aviver". Er arbeitet in der Hi-Tech-Branche. "Ich wohne trotzdem in Sderot." Da sei er geboren, er lasse sich nicht vertreiben. "Wenn keine Raketen mehr fallen, ziehe ich nach Tel Aviv." Etwas leiser dann: "Bei den Tel Aviverinnen macht mich das interessanter."
Alarm: "Rote Farbe" In Sderot wird der Alarm über Lautsprecher in den Straßen oder über Radio und TV ausgerufen: "Rote Farbe, rote Farbe", so der Alarmruf. Sirenen machen zu sehr Panik. Im Krisenraum "Chossen" (Durchhaltekraft) laufen die Fäden zusammen. Zivilschutz, Armee, Polizei, Stadtverwaltung, medizinische Einrichtungen – alle sind hier beteiligt. Eine Telefonnummer für jedes Problem. Auch Psychologen und Finanzamt.
Bürgermeister Allon Davidi sieht müde aus, winkt aber ab: "Wir sind das gewohnt, auch wenn es derzeit härter zugeht." Sein wichtigstes Problem liege beim Finanzamt, betont er: Dort werden Schadensersatzansprüche gestellt. Nach dem Einschlag einer Rakete gebe es keine Probleme. "Was aber mit dem indirekten Schaden? Dem Ausfall im Handel. Der frei genommene Tag, um die Kinder nicht allein zu lassen."
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