Nach der EU-Wahl: Quer durch Europa wackeln die Regierungen

Nach der EU-Wahl: Quer durch Europa wackeln die Regierungen
Von Griechenland bis Großbritannien; Die EU-Wahl droht zahlreiche Regierungschefs den Job zu kosten. Ein KURIER-Überblick.

Griechenland:

Die Verluste seiner linken Syriza-Partei waren mit 2,7 Prozent auf den ersten Blick nicht allzu dramatisch. Für Ministerpräsident Alexis Tsipras aber war es Grund genug, die Notbremse zu ziehen. Die Neuwahlen, die eigentlich erst im Herbst stattfinden sollten, werden auf Juni vorverlegt. Tsipras' größter Herausforderer, die alteingesessene konservative Partei Nea Dimokratia, hat die Linke mit fast zehn Prozent abgehängt. Parteichef Kyriakos Mitsotakis bekommt also die Neuwahlen, die er schon lange gefordert hatte. Die Regierung der Syriza, die erst mit der katastrophalen Wirtschaftskrise in Griechenland politisch bedeutsam wurde, könnte nach vier Jahren zu Ende gehen. Griechenland also politisch wieder nach rechts rücken.

Slowakei

Nach dem Sieg der Liberalen Zuzana Caputova bei den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr ist die EU-Wahl die nächste schallende politische Ohrfeige für die von der linkspopulistischen SMER geführte Regierung. Der Skandal um die Ermordung des Reporters Jan Kuciak und die hochpolitischen Hintergründe empören vor allem die jungen liberalen Slowaken weiterhin. Deren Feindbild ist immer noch der ehemalige Regierungschef und politische Drahtzieher der SMER, Robert Fico. Sie entschieden sich bei den Europwahlen für ein Bündniss zweier neuer liberaler Bewegungen, die beide aus den monatelangen Massenprotesten gegen die SMER und Fico hervorgegangen sind. Neuwahlen liegen in der Luft, die ohnehin massiv geschwächte Regierungskoalition der SMER dürfte demnächst auseinanderbrechen.

Großbritannien

Der große Triumphator der EU-Wahlen heißt Nigel Farage und der will mit seiner Brexit-Partei in den nächsten Monaten jetzt auch noch mit am Verhandlungstisch sitzen, wenn es um den nicht endenwollenden Streit um den EU-Austritt geht. Die regierenden Tories sind bis zur Unkenntlichkeit dezimiert worden, der oppositionellen Labour-Partei geht es kaum besser. Da Premierministerin Theresa May, die am Brexit gescheitert ist, ohnehin am 7. Juni abtritt, geht dann sofort der Kampf um den Posten des Regierungschefs und den Vorsitz der Konservativen los - und der wird ein Wettlauf der Brexiteers also der EU-Gegner. Favorit bleibt Boris Johnson, und der hat erneut klar gemacht, in welche Richtung es geht: Härte gegenüber der EU. Ein chaotischer No-Deal-Brexit im Oktober, wenn die nächste Frist abläuft, wird immer wahrscheinlicher. Neuwahlen, die ja Labour-Chef Jeremy Corbyn seit Monaten fordert, könnten die einzige Möglichkeit sein, diesen Zug zu stoppen.

Italien

Matteo Salvinin und seine rechte Lega sind der klare Sieger bei den Europwahlen, ihr Koalitionspartner, die linkspopulistische Fünf-Sterne-Bewegung der große Verlierer. In Regierung kracht es ohnehin seit Monaten, es gibt Personaldebatten und Streit um Migrations- und Steuerpolitik. Zwar hat sich Salvini nach den EU-Wahlen offiziell noch zur Koalition bekannt, aber das gilt bei den Kommentatoren und politischen Beoabachtern in Rom als Lippenbekenntnis. Sie geben der Regierung kein allzu langes Leben mehr. Das Aus und Neuwahlen rücken immer näher.

Frankreich

Für Präsident Emmanuel Macron ist bei der EU-.Wahl das eingetreten, was er am meisten befürchtet hat: Die rechte Partei Rassemblement National von Marine Le Pen hat seine En-Marche-Bewegung geschlagen. Durch die seit Monaten anhaltenden, gewaltsamen Proteste der Gelbwesten-Bewegung ist Macron ohnehin politisch in die Defensive gerateten und musste schwerwiegende Zugeständnisse machen, die seinen Reformplänen zuwiderliefen. Le Pen hat bereits offen die Auflösung der Nationalversammlung und Neuwahlen gefordert. Macron will dem mit einer Regierungsumbildung entgegentreten, ob das reicht, ist ungewiss.

 

Rumänien

Im EU-Vorsitzland herrscht ohnehin seit Monaten politisches Chaos. Der Machtkampf zwischen den regierenden Sozialisten und Staatspräsident Klaus Johannis überschattet die Politik. Der Versuch, der Regierung, Korruption durch Gesetzesreformen quasi straffrei zu stellen, hat zu Massenprotesten geführt. Die Niederlage der regierenden Sozialdemokraten bei den EU-Wahlen und der Erfolg der von Johannis unterstützten PNL dürfte den Druck in Richtung Neuwahlen noch verstärken. Dazu kommt, dass gegen den vorbestraften sozialistischen Parteichef Liviu Dragnea wegen Korruption ermittelt wird, und er heute, Montag, wieder vor Gericht erscheinen muss. Wird seine Berufung heute abgelehnt, muss er ins Gefängnis.

 

 

 

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