Moskau schickt ukrainische Kriegsgefangene an die Front

Bisher wurde nur spekuliert, dass Moskau ukrainische Kriegsgefangene zurück an die Front schickt, um gegen ihre eigenen Landsleute zu kämpfen. Jetzt gibt es dafür einen Beweis – und zwar einen, den russische Staatsmedien selbst verbreiten.
➤ Alle aktuellen Entwicklungen im Krieg in der Ukraine lesen Sie in unserem Live-Ticker.
Die staatliche Agentur RIA Novosti und Radio Sputnik veröffentlichten ein Video, auf dem ukrainische Soldaten den Eid auf Russland schwören. „Ich schwöre feierlich auf mein Vaterland“, sagen die Männer dort – gemeint ist mitnichten die Ukraine, sondern Russland. „Wir verraten das ukrainische Volk nicht, wir sind ja Brüder“, wird einer der Männer zitiert. „Wir befreien die Ukrainer vom Regime Selenskijs.“

Was die Männer dort sagen, entspricht ziemlich genau der russischen Staatspropaganda. Experten hegen darum massive Zweifel, ob das Ukrainer-Batallion freiwillig an die Front geht, um gegen die eigenen Landsleute zu kämpfen. Das ganze Szenario wirke wie Nötigung, sagt Nick Reynolds, Forscher am Royal United Services Institute in London; auch Julia Gorbunowa von Human Rights Watch bestätigt das: „Russland behauptet zwar, man rekrutiere auf freiwilliger Basis. Aber das ist schwer vorstellbar.“
Dazu kommt: Selbst wenn der Einsatz unter Zwang zustande gekommen ist, gilt er nach der Genfer Konvention als Kriegsverbrechen, ebenso wie die Veröffentlichung von Fotos und Namen der Soldaten.
Dass die Zurschaustellung der Kriegsgefangenen in den Staatsmedien Propagandazwecken dient, ist aber unbestritten. Das Regiment, das aus Ukrainern gebildet wurde, hat man dem Kosaken Bohdan Chmelnyzkyj gewidmet, eine in der Ukraine mehr als umstrittene Figur. Er hat im 17. Jahrhundert den Anschluss der Ukraine an das russische Zarenreich verantwortet – in Moskau wird er darum als Held verehrt, in Kiew freilich nicht.
Die Zahlen der eingesetzten ukrainischen Gefangenen bleiben unklar
Wie viele Kriegsgefangene in Russland festgehalten werden, ist unklar. Das UNHCR schätzt, dass es Tausende sein müssen, dort hat man hunderte Berichte über Folter, Nötigung und auch Exekutionen gesammelt – etwa aus Oleniiwka, einem Gefangenenlager von Azovstal-Kämpfern im besetzten Territorium.
Dort starben bei einem Beschuss 53 Ukrainer, die Russen schoben die Schuld Kiew zu, forderten eine UN-Untersuchung. Mittlerweile ist klar: Getroffen hat das Lager keine ukrainische Rakete – und Russland verweigert der UN den Zutritt.
Kommentare