Merkels letzte Regierungserklärung: Mehr Hilfe für die Türkei und Dialog mit Putin

Merkels letzte Regierungserklärung: Mehr Hilfe für die Türkei und Dialog mit Putin
Im Bundestag skizzierte die Kanzlerin Themen für den EU-Gipfel, die auch noch ihre Nachfolger beschäftigen werden.

16 Jahren lang stand Angela Merkel als erste und bisher einzige Frau an der Spitze einer deutschen Regierung. Im Bundestag stellte sie sich am Mittwoch das letzte Mal den Fragen der Abgeordneten, am Donnertstag hielt sie ihre voraussichtlich letzte Regierungserklärung. Doch eine Art Abschied-Lamento war nicht herauszuhören. Klar, für Merkel geht es noch zum EU-Gipfel nach Brüssel. Und so skizzierte sie eine Reihe an Themen, die auch noch ihre Nachfolger beschäftigen werden.

Sie forderte unter anderem eine Gesprächsinitiative der EU mit Russlands Präsident Wladimir Putin, um eine weitere Verschlechterung der Beziehungen angesichts der russischen "Provokationen" abzuwenden. In einer Regierungserklärung zum am Nachmittag beginnenden EU-Gipfel forderte sie zudem neue Milliarden-Hilfen der EU für die Türkei. Als Lehre aus der Corona-Pandemie urgierte sie eine Stärkung der Handlungsfähigkeit der EU.

Geschlossenere Haltung der EU

"Es reicht nicht aus, wenn der amerikanische Präsident Joe Biden mit dem russischen Präsidenten redet", sagte Merkel im Bundestag in Berlin. "Die Europäische Union muss hier auch Gesprächsformate schaffen." Merkel forderte dabei eine geschlossenere Haltung der EU gegenüber Russland. "Die Ereignisse der letzten Monate haben deutlich gezeigt, dass es nicht reicht, wenn wir auf die Vielzahl russischer Provokationen unkoordiniert reagieren", sagte Merkel in ihrer voraussichtlich letzten Regierungserklärung in ihrer bald 16-jährigen Amtszeit.

Aufgabe sei es nun, eine "Agenda gemeinsamer strategischer Interessen" Russlands und der EU auszuarbeiten, sagte die deutsche Kanzlerin. Als Beispiele nannte Merkel den Klimaschutz, aber auch die Konfliktbeilegung in Ländern wie Libyen oder Syrien.

Neue Hilfe für die Türkei

Merkel forderte von der EU auch neue Milliarden-Hilfen für die Türkei für die Versorgung von Flüchtlingen und eine Modernisierung der Zollunion mit dem Land. Die Türkei könnte von der EU weitere 3,5 Milliarden Euro für die Unterbringung von syrischen Flüchtlingen erhalten. Das sieht der Vorschlag der EU-Kommission für das Finanzpaket an die Türkei bis zum Jahr 2024 vor. Der Umgang mit der Türkei und Russland werden zentrale Themen auf dem am Donnerstag beginnenden zweitägigen Gipfel der 27 EU-Staats- und Regierungschefs sein.

Die EU müsse eine gemeinsame Antwort auf den Umgang von Ländern wie Russland oder China haben, sagte Merkel in ihrer Regierungserklärung. Es sei wichtig, dass sich auch die G7-Staaten und die NATO-Länder geschlossen gegenüber Russland und China zeigten. "Gleichzeitig sind wir als G7 überzeugt, mit unseren gemeinsamen Werten und Interessen vielen Ländern auf der Welt ein besseres Kooperationsangebot als China machen zu können."

Lehren aus der Pandemie

Als eine Lehre aus der Corona-Pandemie urgierte Merkel die Stärkung der Handlungsfähigkeit der EU. Im ersten Schock der Pandemie hätten nationale Anstrengungen das Handeln bestimmt, bevor europäisch abgestimmt vorgegangen worden sei, sagte sie im Bundestag. "Wir wissen heute, dass wir das besser können und das auch in Zukunft besser machen werden", sagte sie. "Deshalb sehe ich insbesondere in der Krisenreaktion, im Gesundheitsschutz, bei Schengen und im Binnenmarkt die Bereiche, in denen wir über eine Stärkung der europäischen Handlungsfähigkeit diskutieren müssen." Es sei wichtig, dass das Gespräch darüber beim Europäischen Rat begonnen werde.

Merkel sprach sich erneut klar gegen eine Aussetzung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe aus. Sie plädierte dafür, die Produktion von Impfstoffen für ärmere Länder über eine verstärkte Lizenzvergabe zu erhöhen. Die Welt werde "auch in Zukunft weiter darauf angewiesen sein, dass Impfstoffe entwickelt werden", sagte Merkel. "Das wird nur gelingen, wenn der Schutz geistigen Eigentums nicht außer Kraft gesetzt wird, sondern gewahrt bleibt.

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