Medizinische Behandlung? Oppositions-Ikone verlässt Belarus

Die Oppositionelle Swetlana Alexijewitsch
Nobelpreisträgerin Alexijewitsch, die letzte nicht inhaftierte Führungsfigur der weißrussischen Opposition, reiste nach Deutschland ab.

Die weißrussische (belarussische) Oppositionelle und Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch ist nach Deutschland abgereist. Grund der Reise sei eine medizinische Behandlung sowie ein Arbeitsaufenthalt, sagte ein Vertrautet der Schriftstellerin am Montag. Es gebe keine politischen Motive für die Deutschland-Visite. Alexijewitsch plane, in ihrer Heimat zurückzukehren. Ihre Assistentin Tatjana Tjurina teilte mit, die Schriftstellerin wolle in Schweden eine Buchmesse besuchen und in Sizilien eine Auszeichnung entgegennehmen.

Die Autorin gehört zu den schärfsten Kritikern von Machthaber Alexander Lukaschenko. Sie forderte immer wieder seinen Rücktritt. Alexijewitsch musste daher als Präsidiumsmitglied des Koordinierungsrates der Opposition in Belarus befürchten, wie ihre Mitstreiter entweder in Haft zu kommen oder gegen ihren Willen außer Landes gebracht zu werden.

Schutz von Diplomaten

Kürzlich hatten sich westliche Diplomaten für den Schutz Alexijewitsch eingesetzt, darunter die österreichische Botschafterin Aloisia Wörgetter. Sie richteten auch einen Wachdienst ein, nachdem die Schriftstellerin sich in ihrer Wohnung in Minsk von den belarussischen Behörden bedroht gefühlt hatte. Alexijewitsch hatte viele Angebote aus dem Ausland erhalten, sich in Sicherheit zu bringen.

Alexijewitsch war wie die meisten anderen Mitglieder des Koordinierungsrates der Zivilgesellschaft unlängst auch zur Vernehmung vorgeladen worden. Sie beklagte zuletzt öffentlich, dass ihr Präsidiumskollege Maxim Snak festgenommen wurde. Zuvor waren die Oppositionelle Maria Kolesnikowa und andere verhaftet worden. Zwei Präsidiumsmitglieder hatten das Land auf Druck der Behörden verlassen.

"Land gestohlen"

„Erst haben sie uns das Land gestohlen, jetzt greifen sie die Besten von uns auf“, sagte Alexijewitsch unlängst. Aber es kämen Hunderte andere an ihrer Stelle. Das Land bäume sich auf gegen den Machtapparat. Es gehe hier aber nicht um einen Umsturz, wie von Lukaschenko behauptet. „Wir wollten keine Spaltung in unserem Land. Wir wollten, dass in der Gesellschaft ein Dialog beginnt.“ Es gingen auch Menschen mit kleinen Kindern auf die Straße, weil sie fest vom Sieg überzeugt seien.

Zugleich appellierte die Nobelpreisträgerin an Intellektuelle in Russland, den „Volkswillen“ in Belarus zu unterstützen. „Warum schweigt Ihr? Wir hören nur seltene Stimmen der Unterstützung (...) Warum schweigt Ihr, wenn Ihr seht, dass ein kleines stolzes Volk getreten wird? Wir sind doch Eure Brüder.“

Kommentare