Ein Bischof zum Anfassen
Die Bilder und Videos zeigen einen Bischof, der da ist für die Ärmsten der Armen. Der hingeht, wo es wehtut. Anders als der große Favorit vor dem Konklave – der italienische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin – hat Prevost Erfahrung als Seelsorger in den Armenvierteln gesammelt, war an der Basis unterwegs.
„Von dem Moment an, als er in Peru ankam, verliebte er sich in das Land“, sagte Chiclayos heutiger Bischof Edinson Edgardo Farfan Cordova peruanischen Medien: „Ich bin überzeugt, dass Papst Leo XIV. die Linie der Gemeinschaft und der Nähe zu den Armen fortsetzen wird, die das Pontifikat von Franziskus geprägt hat.“
In seinem letzten Interview auf peruanischem Boden vor seiner Abreise nach Rom vor gut zwei Jahren sagte Prevost: „Es wird mir schwerfallen, all die Gemeinden zu verlassen.“ Es gibt Bilder, die Prevost zeigen, wie er auf peruanischen Pferden durch die Landschaft reitet oder am Grill hantiert.
Ein Bischof zum Anfassen, mit kultureller Offenheit, der das fremde Land rasch als neue Heimat akzeptierte.
Berufswunsch Papst
Der neue Papst war als jüngster von drei Söhnen in eine Familie mit italienischer, spanischer und französisch-kreolischer Migrationsgeschichte in einem Vorort von Chicago geboren worden. Als erster US-Amerikaner an der Spitze der katholischen Kirche mag seine Wahl viele Beobachter überrascht haben, doch rückblickend scheint sein Werdegang für Wegbegleiter vorbestimmt gewesen zu sein.
Schon als kleiner Bub habe er unbedingt Priester werden wollen; regelmäßig habe er im Kinderzimmer „auf dem Bügelbrett“ Litaneien und Predigten nachgestellt, erinnerte sich sein Bruder John diese Woche im US-Fernsehen.
Entscheidend dafür soll die Mutter Mildred Martinez gewesen sein: „Sie ging täglich mit Robert zur Messe“, erinnert sich eine ehemalige Klassenkameradin im Gespräch mit den Chicago Sun-Times. „Gemeinsam reinigten sie die Altäre, die Kirche und beteiligten sich an Spendenaktionen.“
Robert wurde folgerichtig Ministrant und sang im Schulchor, besuchte später auf eigenen Wunsch die örtliche katholische Privatschule des heiligen Augustin. Er sei laut Mitschülern ein herausragender Schüler gewesen, der sich im Debattenklub und in der Schülervertretung engagiert habe.
Während seines Bachelorstudiums (Mathematik) trat Prevost dem örtlichen Augustinerorden bei, legte mit 23 Jahren seine ersten Gelübde ab. Vier Jahre später wurde er in Rom zum Priester geweiht.
Er blieb in der Ewigen Stadt, machte sein Doktorat (Kirchenrecht) und arbeitete nebenbei als Mathematik- und Physiklehrer an einer englischsprachigen High School. Mit 30 Jahren begab er sich schließlich für die Augustiner-Mission nach Peru. Es wurde die entscheidende Reise seines Lebens.
Drogen und Migration
Prevosts Weltoffenheit und Bildung verlieh ihm den Mut, sich später auch als „Ausländer“ zu den innenpolitischen Irrungen und Wirrungen in Peru zu äußern. Er erlebte den linksextremen Terrorismus des „Leuchtenden Pfades“ mit, den Aufstieg und Fall des rechtsextremen Präsidenten Alberto Fujimori. Er sah, mit welcher Macht die örtlichen Drogenkartelle die Märkte in den USA und Europa erst mit Kokain und dann mit Fentanyl fluteten.
Gegen insgesamt fünf peruanische Präsidenten wurde während seines Aufenthaltes wegen Korruption ermittelt – quer durch alle politischen Lager. Immer wieder klagte Bischof Prevost den Machtmissbrauch in seinen Predigten an.
Inzwischen ist ein globaler Kampf um die Deutungshoheit des Pontifikats entbrannt. Dabei scheint Papst Leo XIV. direkt in die Framing-Maschinerie zu geraten. In den USA schimpfen radikale Trump-Anhänger ihn einen „woken Marxisten“, Kolumbiens Präsident Gustavo Petro fordert ihn auf, sich für die „gedemütigten Migranten“ in den USA einzusetzen.
Tatsächlich spielt das Thema Migration auch in Peru eine große Rolle. Das Land hat Hunderttausende Flüchtlinge aus Venezuela aufgenommen. Geflohen vor dem brutalen, linksextremen Regime von Nicolás Maduro. Papst Franziskus hatte Trumps harte Migrationspolitik immer wieder kritisiert. Nun wartet die Welt darauf, wie sich Papst Leo XIV. in der Frage positioniert.
Missbrauchsfälle in Peru
Ein Schatten liegt auf der sonst so leuchtenden Karriere des neuen Papstes: Gleich zwei Opferrechtsgruppen stellen sein Engagement bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen infrage.
Unter anderem habe er trotz Vorwürfen gegen zwei Priester in seiner peruanischen Diözese „nie ein Verfahren eingeleitet“, heißt es vom Netzwerk der Opfer des Missbrauchs durch Priester (SNAP). Ein anderer Fall biete dagegen „Anlass zur Hoffnung“, so SNAP: Ein Journalist, der in Peru vor Monaten einen Missbrauchsskandal um einen ultrakonservativen Laienpriesterverbund aufdeckte, nannte Prevost dabei „eine große Hilfe“.
„Wir beten“, so SNAP, „dass wir noch mehr solch entschlossenes Handeln erleben, nun, da er Papst ist.“
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