
Idlib: Foto bei Nacht
© APA/AFP/OMAR HAJ KADOUR
UN-Bericht: Syriens Regierung hat gezielt Kliniken bombardiert
Der militant islamistischen "Rebellen"-Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) wirft der Bericht ebenfalls Kriegsverbrechen vor.
Syriens Regierungstruppen haben UN-Ermittlern zufolge systematisch Dutzende Kliniken, Schulen und MĂ€rkte im Rebellengebiet um die Stadt Idlib im Nordwesten des Landes angegriffen. Die Ziele seien aus der Luft und vom Boden bombardiert worden, heiĂt es in einem am Dienstag in Genf veröffentlichten Bericht im Auftrag des UN-Menschenrechtsrates. Dabei hĂ€tten die Regierungstruppen auch Streumunition eingesetzt. Derartige Angriffe ohne RĂŒcksicht auf Zivilisten kĂ€men Kriegsverbrechen gleich, schreiben die Ermittler.
Der militant islamistischen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) wirft der Bericht willkĂŒrlichen Beschuss von Regierungsgebieten vor. Dabei seien mehr als 200 Zivilisten ums Leben gekommen. Die Terroristen hĂ€tten zudem geplĂŒndert und Zivilisten festgenommen, gefoltert und getötet. Auch diese Taten kĂ€men Kriegsverbrechen gleich.
Luftangriffe auf Kliniken
Die Region um die Stadt Idlib ist das letzte groĂe "Rebellen"-Gebiet des BĂŒrgerkriegslandes. Dominiert wird es von der islamistischen HTS-Miliz. Syriens Regierung und Russland hatten 2019 eine Offensive begonnen und ihre Angriffe im Dezember verstĂ€rkt. Seit einer von Russland und der TĂŒrkei vereinbarten Waffenruhe hat sich die Lage seit Anfang MĂ€rz beruhigt. Ankara unterstĂŒtzt in dem Konflikt die Rebellen.

Familie spielt Karten im völlig zerstörten Idlib
Die untersuchten VorfĂ€lle legten nahe, dass Angriffe auf Kliniken zur Kriegsstrategie der Regierung gehörten, heiĂt es in dem Bericht weiter. Zeugen berichteten demnach auch von Angriffen auf MĂ€rkte, in deren NĂ€he es keinerlei militĂ€rische Ziele gegeben habe. In einem Fall machen die Ermittler auch Syriens VerbĂŒndeten Russland fĂŒr Luftangriffe auf ein Gebiet in unmittelbarer NĂ€he eines Krankenhauses in der Stadt Ariha verantwortlich. Dabei seien Ende Januar mindestens 14 Zivilisten gestorben, darunter ein Arzt.
500.000 Tote seit 2011
Syrische Aktivisten und Hilfsorganisationen werfen der Regierung und Russland seit langem gezielte Angriffe auf KrankenhĂ€user und andere lebenswichtige Infrastruktur vor. Im April war bereits eine von UN-GeneralsekretĂ€r AntĂłnio Guterres eingesetzte andere Untersuchungskommission zu dem Schluss gekommen, dass die Regierung und ihre VerbĂŒndeten sehr wahrscheinlich fĂŒr Angriffe auf wichtige zivile Einrichtungen in Rebellengebieten verantwortlich seien.
Der neue Bericht deckt den Zeitraum zwischen November 2019 und Juni 2020 ab. Er zĂ€hlte Dutzende Angriffe auf KrankenhĂ€user, Schulen, MĂ€rkte und Wohngebiete. Diese hĂ€tten zur Massenflucht von fast einer Millionen Menschen gefĂŒhrt. Die Fluchtwelle sei âvorhersehbare Folge von umfassenden rechtswidrigen Angriffen der Pro-RegierungskrĂ€fteâ gewesen. Ganze Familien seien sogar auf der Flucht bombardiert worden, sagte der Leiter der Kommission, Paulo Pinheiro.
Seit Ausbruch des Syrien-Konflikts im MĂ€rz 2011 sind SchĂ€tzungen zufolge mindestens 500.000 Menschen ums Leben gekommen. Die RegierungsanhĂ€nger kontrollieren mittlerweile wieder rund zwei Drittel des Landes, darunter die groĂen StĂ€dte. Das Land leidet aber seit Monaten unter einer schweren Wirtschaftskrise. Der Regierung fehlt zudem das Geld, um zerstörte Gebiete wiederaufzubauen.