Kurz über EVP-Entscheidung: "Orban hat eingelenkt"

Sebastian Kurz findet Einfrieren der EVP-Mitgliedschaft der Fidesz statt deren Ausschluss richtig.
Kanzler sagt, eine Verschiebung des Brexits über die EU-Wahl hinaus sei nicht vorstellbar.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat in der ZiB 2 einmal mehr den Umgang seiner und anderer konservativer Parteien mit der ungarischen Fidesz verteidigt. Die Europäische Volkspartei (EVP) hatte am Mittwoch ein sechsmonatiges Einfrieren der Mitgliedschaft der Partei Viktor Orbans beschlossen – und damit das Problem auf die Zeit nach der EU-Wahl vertagt.

Kurz sagte darauf angesprochen, ob die EVP ihre Konflikte mit Orban nur verschoben habe: „Manfred Weber hat den richtigen Schritt vorgeschlagen und die richtigen Bedingungen an Orban gestellt.“ Diese waren eine Ende polemischer Anti-EU-Plakate, eine Entschuldigung sowie die Sicherung der Universitäts- und Wissenschaftsfreiheit in Ungarn. Denn: Orban hatte bisher versucht, die Central European University, finanziert von Milliardär George Soros, aus Budapest zu vertreiben.

Kurz: „Orban hat hier eingelenkt.“ Er habe sich entschuldigt, die Plakatkampagne gestoppt und „will die Wissenschaftsfreiheit gewährleisten“.

Die EVP hat mittlerweile einen Weisenrat, u. a. mit Altkanzler Wolfgang Schüssel, eingesetzt, um die Fidesz in einem halben Jahr abschließend zu beurteilen.

In der ZiB 2 angesprochen auf diverse problematische Entwicklungen in Ungarn in den vergangenen Jahren, sagte Kurz: „Es kommt einfach sehr genau drauf an, über welche Bereiche wir sprechen.“ So ist für Kurz die „sehr harte“ Migrationslinie kein Grund für einen Ausschluss aus der konservativen Parteienfamilie. Einschränkungen des Rechtsstaats, der Medien- und Wissenschaftsfreiheit seien eine andere Sache, hier dürfe es keine Kompromisse geben.

Kurz: "Chaos nicht importieren"

Den Hauptteil des Interviews nahm freilich der bevorstehende EU-Austritt Großbritanniens ein. Die EU-Staaten sind nach den Worten von Kurz gegen eine Verschiebung des Brexits bis nach der Europawahl im Mai. "Eigentlich waren alle Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Rat einer Meinung, dass wir uns eine Verschiebung über die Europawahl hinaus nicht vorstellen können", sagte er.

Der Kanzler bekräftigte sein Nein zu einer Teilnahme Großbritanniens an der EU-Wahl, weil damit das "Chaos aus Großbritannien in die Europäische Union importiert" würde. Zu den Chancen, dass der Brexit-Deal im dritten Anlauf im Londoner Unterhaus angenommen wird, sagte der Kanzler: "Die Optimistischsten sagen, es ist 50:50. Wir müssen jedenfalls damit rechnen, dass es nicht durchgeht."

Die Folge wäre, dass es dann "spätestens am 12. April" einen weiteren EU-Gipfel gebe. Die Situation wäre ähnlich wie jene bei dem am Freitag zu Ende gegangenen Gipfeltreffen, allerdings "mit dem Unterschied, dass es wahrscheinlich zu einem Hard Brexit käme".

Appell an britische Abgeordnete

"Die einzige Chance, die es de facto gibt, ist, dass es im Unterhaus ein Umdenken gibt", sagte Kurz. Er appellierte an die britischen Abgeordneten zu begreifen, "dass das wirklich ihre letzte Chance ist" und nicht nachverhandelt werde.

Kurz nahm die britische Premierministerin Theresa May gegen Kritik in Schutz und bezeichnete sie als "sehr ordentliche Verhandlungspartnerin". "Das einzige, was man ihr vorwerfen kann, ist, dass sie keine Mehrheit im Parlament hat", sagte der ÖVP-Chef. Ein Rücktritt Mays würde "noch größeres Chaos" bedeuten, so Kurz, der zugleich an die EU-Staaten appellierte, sich weiter "geduldig zu zeigen". Schließlich würde ein Hard Brexit auch in Europa und Österreich wirtschaftlichen Schaden anrichten.

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