Kurden-Partei in Türkei „endgültig etabliert“

Kurden halten das Bild ihrer inhaftierten Leitfigur Demirtas hoch
Die HDP wurde im Parlament in Ankara überraschend drittstärkste Fraktion - vor den Nationalisten

Aus der von den Anhängern befürchteten Zitterpartie wurde ein fulminanter Einzug ins türkische Parlament: Die Kurden-Partei HDP übersprang mit 11,7 Prozent der Stimmen nicht nur klar die Zehn-Prozent-Hürde, sondern wurde sogar hinter Erdoğans AKP und der linksnationalen CHP drittstärkste Fraktion. „Und das obwohl ihre Leitfigur, Selahattin Demirtas, im Gefängnis sitzt und die Bedingungen in den Kurdengebieten äußerst schwierig sind“, sagt Cengiz Günay, Politologe am Österreichischen Institut für Internationale Politik, zum KURIER. Damit sei die Partei „endgültig etabliert und nicht mehr wegzudenken aus dem türkischen System“.

Mit ein Grund für den Erfolg vom Sonntag sei die Tatsache, dass sich „die AKP in den vergangenen Jahren stark den türkischen Nationalisten zugewandt hat“. Damit sei sie von vielen konservativen Kurden, die zuvor durchaus aufseiten der Erdoğan-Truppe gestanden seien, nicht mehr wählbar gewesen.

AKP-Absolute verhindert

Das gute Abschneiden der Kurden habe, so Günay, der AKP letztlich die absolute Mandatsmehrheit in der Legislative gekostet. Erdoğan hatte diese Gefahr bereits im Wahlkampf erkannt und die HDP als Hauptfeind identifiziert und entsprechend attackiert. Vergeblich.

Eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses schließt der Experte nicht gänzlich aus: „Erdoğan weiß, dass es nicht auf Dauer Krieg geben kann, auf irgendeine Weise muss der Konflikt gelöst werden.“ Der Präsident sei pragmatisch, er könne seine Positionen schnell wechseln.

Wobei die AKP im Parlament jetzt auf die nationalistische MHP angewiesen ist, und die ist strikt gegen jeglichen Dialog mit den Kurden. „Allerdings schließe ich nicht aus, dass sich Erdoğan auch andere Mehrheiten sucht“, betont der Politologe, „alleine schon deswegen, um sich aus der engen Umklammerung der MHP zu befreien“.

Walter Friedl

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